Medizin
Nina, 22: „Ich möchte eine Sterilisation“

Eine Studentin aus Kirchheim plant, sich sterilisieren zu lassen. Im Interview erzählt sie, warum sie diesen Weg für sich gewählt hat, wie Menschen auf ihre Entscheidung reagieren und wo sie gesellschaftliches Umdenken für nötig hält.

Die Sterilisation der Frau wird meist unter Vollnarkose vollzogen und ist deutlich invasiver als die männliche Sterilisation. Foto: Symbolbild

Hochzeit, Hausbau, Kinder: Diese Reihenfolge sehen viele Menschen auch heute noch als Step-by-Step-Anleitung für das ideale, gutbürgerliche Leben. Dieser Vorstellung kann Nina M. nichts abgewinnen – zumindest, was den letzten Punkt betrifft. Eigene Kinder kommen für sie nicht infrage, da ist sie sich sicher. So sicher, dass sie ihre Entscheidung medizinisch besiegeln möchte: Sie will sich sterilisieren lassen.

Wann war dir bewusst, dass du kinderlos bleiben möchtest?

Nina M.: Das wusste ich eigentlich schon immer. Seit das Thema Kinderkriegen zum ersten Mal aufkam, war mir klar, dass das nichts für mich ist.

Wieso das?

Da gibt es mehrere Gründe. Tatsächlich arbeite ich teilweise mit Kindern und mache das auch sehr gerne, aber ich bin trotzdem froh, wenn ich sie am Ende des Tages wieder abgeben kann. Den Gedanken, die ganze Zeit ein Kind daheim zu haben, finde ich abschreckend. Man muss sein Leben total einschränken. Das will ich nicht. Außerdem habe ich große Angst vor der Geburt und davor, was die Schwangerschaft mit meinem Körper macht. Dazu kommt natürlich noch die Lage mit der Überbevölkerung und mit dem Klimawandel. Das ist eine sehr große Unsicherheit. Ich möchte kein Kind in eine Welt setzen, in der es vielleicht gar keine Zukunft hat.

Warum Sterilisation statt Verhütung?

Verhütung ist nie risikofrei, und ich will möglichst auf der sicheren Seite sein. Früher habe ich die Pille genommen und habe gedacht, dass ich sie gut vertrage, bis ich sie abgesetzt habe. Es hat ein Jahr gedauert, bis mein Körper sich wieder einigermaßen eingespielt hatte, und ich habe bis heute einen unausgeglichenen Hormonhaushalt und eine unregelmäßige Periode. Die Pille hat viel kaputtgemacht.

Hast du dich bereits auf die Suche nach einer passenden Praxis gemacht?

Noch nicht. Ich habe mir vorgenommen, mich erst mit 25 sterilisieren zu lassen, weil das Gehirn in dem Alter vollständig entwickelt ist. Ich habe mich aber schon informiert, wo solche Eingriffe angeboten werden. Es ist ja leider immer noch sehr schwierig, Ärzte zu finden, die das überhaupt machen.

Hast du deinem Umfeld von deiner Entscheidung erzählt? Wie waren die Reaktionen?

Ja, ich bin sehr offen mit dem Thema. Meine Freunde wissen das alle und können das voll verstehen. Das war gar keine große Sache. Meine Eltern wissen auch, dass keine Enkelkinder kommen, und der Rest meiner Familie weiß es auch, glaubt mir aber nicht so ganz.

Erlebst du das häufiger?

Ja, gerade, wenn ich mit Älteren darüber spreche, werde ich oft nicht ernst genommen. Dann kommt meistens so was wie: „Das weißt du doch noch gar nicht. Das ändert sich bestimmt noch.“ Ich habe es auch schon erlebt, dass eine Arbeitskollegin mir auf die Aussage, dass ich keine Kinder möchte, gewünscht hat, dass ich mal welche bekomme. Das finde ich schon etwas übergriffig.

Denkst du, die Menschen würden anders reagieren, wenn du ein Mann mit Sterilisationswunsch wärst?

Auf jeden Fall. Ich glaube, vor allem bei den älteren Generationen wäre das etwas ganz anderes. Da wird es noch als die ultimative Aufgabe der Frau gesehen, Kinder zu kriegen und eine Familie zu haben. Außerdem hält sich in der Gesellschaft noch immer der Mythos des Mutterinstinkts. Erst vor Kurzem habe ich mich mit einer Studie beschäftigt, die herausgefunden hat, dass es den biologisch gar nicht gibt. Es gibt den Elterninstinkt, der bei Frauen und Männern aber gleichermaßen besteht. Die Frau verbringt im Normalfall nur mehr Zeit mit den Kindern und baut dadurch eine stärkere Bindung auf. 

Wie gehst du beim Dating mit dem Thema um?

Wenn ich date, wird das meistens im Laufe der ersten drei Dates angesprochen. Wenn der Mann sagt, dass er irgendwann Kinder möchte, sage ich sofort: „Dann wird das wohl nichts.“ Ich sehe es nicht ein, eine Beziehung einzugehen, die sowieso nicht halten kann.

Hast du das Gefühl, dass dich dein fehlender Kinderwunsch beim Dating einschränkt?

Klar, ich bin schon stärker eingeschränkt. Viele Männer haben zum Beispiel in ihrem Dating-Profil stehen, dass sie Kinder möchten. Da denke ich mir immer, dass es natürlich einfach ist, Kinder zu wollen, wenn man nicht die Person ist, die sie austragen muss.

Hältst du es für möglich, dass du eine Sterilisation später bereuen könntest?

Nein. Ich weiß schon seit einer sehr langen Zeit, dass ich keine eigenen Kinder möchte. Selbst während dieser gesamten Phase, in der man sich sehr krass entwickelt, stand es für mich nie auch nur zur Debatte. Ich lasse mir aber immer die Option offen, dass ich vielleicht irgendwann mal Pflegekinder aufnehme oder ein älteres Kind adoptiere.

Manche Ärzte setzen ein psychologisches Gutachten voraus, bevor sie den Eingriff vornehmen, um sicherzugehen, dass es keine voreilige Entscheidung ist. Wie denkst du darüber?

Ein psychologisches Gutachten finde ich schwierig. Wenn ich ein Kind bekomme, macht das ja auch keiner. Es gibt bestimmt Frauen, die ihre Sterilisation bereuen, aber es gibt genauso Frauen, die es bereuen, Mutter geworden zu sein. Ich habe später immer noch die Möglichkeit, auf anderem Wege ein Kind aufzunehmen, falls ich das möchte. Wenn eine Frau jetzt aber schwanger wird und sich später herausstellt, dass sie nicht bereit dafür ist, kann sie das nicht mehr rückgängig machen. Das beeinflusst dann nicht nur die Frau, sondern auch das Kind.

Welchen Umgang mit den Sterilisationswünschen von Frauen würdest du dir von ärztlicher Seite wünschen?

Ich würde mir wünschen, dass die Entscheidung der Frau respektiert und ernst genommen wird. Es passiert immer noch so häufig, dass Ärzte den Partner der Frau um Erlaubnis fragen. Das ist noch die Denkweise: Was der Mann sagt, zählt. Ich wünsche mir, dass Frauen mehr über sich selbst bestimmen dürfen.

Wissenswertes über die weibliche Sterilisation

Es gibt mehrere Arten der Sterilisation bei der Frau. Die einfachste und am weitesten verbreitete Sterilisationsmethode ist die Tubenligatur, bei der die Eileiter entweder durchtrennt oder verschlossen werden, sodass eine Befruchtung der Eizelle nicht mehr möglich ist.

Eine Tubenligatur ist nicht zu 100 Prozent sicher. In sehr seltenen Fällen kann es trotzdem zu einer Schwangerschaft kommen.

Vollkommen sicher ist lediglich die deutlich invasivere Entfernung der Eileiter oder der Gebärmutter. Insbesondere eine Entfernung der Gebärmutter erfolgt in der Regel jedoch nicht primär aus Verhütungsgründen.

Eine Sterilisation mittels Tubenligatur kann unter Umständen wieder rückgängig gemacht werden. Man spricht in diesem Fall von einer Refertilisation. Diese ist aber nicht immer erfolgreich. Es sollte daher davon ausgegangen werden, dass die Sterilisation ein permanenter Entschluss ist.

Viele Ärzte lehnen Sterilisationswünsche, insbesondere bei kinderlosen Frauen unter 35, ab. Der Verein Selbstbestimmt Steril (www.selbstbestimmt-steril.de) informiert über Ärzte, die den Eingriff vornehmen.