Corona und die Schulen: Die baden-württembergischen Zeitungsverlage wollten hinter die Kulissen blicken und haben beim Allensbacher Institut für Demoskopie eine Umfrage in Auftrag gegeben. Zu den Ergebnissen zählt unter anderem, dass die Unterrichtsversorgung ebenso kritisch gesehen wird wie die digitale Kompetenz der Lehrer. Für Kirchheim und Umgebung jedoch lassen weder das Staatliche Schulamt Nürtingen noch Kirchheims Geschäftsführender Schulleiter diese Aussagen pauschal gelten.
Dass die Versorgung mit Lehrkräften grundsätzlich eng ist, räumt Schulamtsdirektorin Karin Bogen-Dittrich, die stellvertretende Amtsleiterin, in einer schriftlichen Stellungnahme durchaus ein: „Wie unsere Ministerin immer sagt, ist das ,auf Kante genäht‘.“ Zur Corona-Risikogruppe gehören knapp sechs Prozent: „Das ist ein sehr kleiner Prozentsatz, vor allem wenn man bedenkt, dass die schwangeren Kolleginnen auch schon vor Corona oft von ihren Ärzten ein Beschäftigungsverbot erhalten haben und ausfielen.“
Lehrer, die zur Risikogruppe gehören und deswegen nicht vor Ort unterrichten können, haben allerdings keinen Urlaub, sondern gehen - wie andere Arbeitnehmer auch - ins Homeoffice: „Sie werden entsprechend ihres Deputats im Fernunterricht eingesetzt.“
Problematisch seien also nicht diese sechs Prozent, sondern die Fälle, in denen Lehrer sich in Quarantäne begeben müssen oder gar selbst infiziert sind. Sie fehlen dann mitunter von heute auf morgen im Präsenzunterricht.
Völlig unabhängig vom Staatlichen Schulamt, beschreibt Clemens Großmann, Geschäftsführender Schulleiter und Rektor der Freihof-Realschule, fast dieselbe Situation: „Über die Krankheitsreserve kriegt man nie jemanden. Also versuchen wir das immer intern zu regeln. Ich schaue, ob ich Kollegen finde, die aufstocken wollen. Das geht jetzt zum Glück auch im laufenden Schuljahr.“
Den Vorwurf von außen, dass manche Lehrer Corona nutzen, um einfach „abzutauchen“, kennt Clemens Großmann von seiner Schule nicht. Während des ersten Lockdowns im Frühjahr hat er aber von anderen Schulen Fälle gehört, dass Lehrer 50 Seiten Aufgaben verteilt und sich dann wochenlang nicht mehr gemeldet haben sollen.
„Wer zuhause ist, muss was tun“
Das geht heute aber nicht mehr: „Am Anfang war das Ministerium übervorsichtig und hat keine großen Nachweise verlangt. Inzwischen braucht man aber ein Attest.“ Außerdem habe das Ministerium angeordnet, dass Fernunterricht, wenn er denn sein muss, nach Stundenplan stattzufinden hat: „Wer jetzt zu Hause ist, muss also auf jeden Fall etwas tun.“
Bei ihm an der Schule sei die Unterrichtsversorgung derzeit recht gut, zumindest kaum durch Corona beeinträchtigt: „Wir haben einen Generationenwechsel. Und wenn viele junge Kolleginnen an die Schule kommen, ist es der normale Lauf der Dinge, dass sie dann eine eigene Familie gründen. Das hat aber mit Corona nichts zu tun.“ Wenn sich ältere Kollegen in Rekonvaleszenzphasen befinden, sei das ebenfalls nicht auf die Pandemie zurückzuführen.
Bei der Digitalisierung dagegen sei die Verjüngung der Kollegien von Vorteil, weil digitaler Unterricht für die Jüngeren kein großes Problem darstelle. Es könne zwar Kollegen geben, die sich kurz vor der Pensionierung nicht noch auf Neues einlassen wollen, meint Clemens Großmann, bringt aber sofort ein Gegenbeispiel: „Ich hatte eine Kollegin, die hat sich im Frühjahr - drei Monate vor dem Ruhestand - noch voll reingehängt in den Online-Unterricht.“
Auch das Staatliche Schulamt meldet, im Hinblick auf den Generationenwechsel: „Der Prozentsatz von Lehrkräften ohne digitale Kompetenzen ist verschwindend gering und wird immer geringer.“ Karin Bogen-Dittrich stellt sich generell hinter das Personal: „Viele machen in der Schule gerade einen tollen Job, ganz besonders die Schulleitungen.“
Als durchaus problematisch sehen Karin Bogen-Dittrich und Clemens Großmann die digitale Ausstattung an einzelnen Schulen an. Das liegt aber in der Verantwortung des jeweiligen Schulträgers.
Und wenn es nun doch zum erneuten Lockdown kommen sollte? Dem Schulamt zufolge liegt an vielen Schulen ein Notfallprogramm „quasi fertig in der Schublade“. Clemens Großmann wiederum hat einen Kompromissvorschlag, wie sich durch eine Teilschließung der Schulbetrieb aufrechterhalten ließe: „Viele Kollegen wünschen sich für diesen Fall A- und B-Wochen, in denen sie jeweils die halbe Klasse vor Ort unterrichten könnten.“