Die Corona-Pandemie trifft die Wirtschaft hart. Vor allem Gastronomie und Handel müssen Totalausfälle beim Umsatz verkraften. Andere schlittern langsam, aber scheinbar unaufhaltsam in die Krise. Der Ruf nach finanzieller Hilfe gibt vor allem Politikern und Wirtschaftsexperten in der Region zu denken. Die Frage, die sich viele stellen: Wie kann es sein, dass in einem der prosperierendsten Wirtschaftsräume der Republik nach einem Jahrzehnt des Booms Betriebe binnen Kurzem nackt dastehen? Vor allem an Neugründern sind die fetten Jahre vorübergezogen, ohne nennenswerte finanzielle Polster zu hinterlassen.
Michael Schmauder macht diese Erfahrung zurzeit täglich. Der Geschäftsführer des Gründerzentrums Süddeutschland hat in den vergangenen Wochen von seinem Büro in Kirchheim aus mehr als 60 Unternehmen auf dem Weg zu schnellem Geld beraten. Dabei geht es weniger um Soforthilfe, als um Darlehen, für die es Eigenkapital und einen Wirtschaftsplan braucht. Vom Kleinbetrieb mit wenigen Mitarbeitern bis zum mittelständischen Unternehmen. Vom Maschinenbau über Textilbranche bis zur Reinigungsfirma oder Physio-Praxis. Im Schnitt geht es um Beträge im mittleren sechsstelligen Bereich. Seine Erfolgsquote liegt bei 90 Prozent, doch gut die Hälfte der Anfragen, die bei Schmauder auf dem Tisch landen, lehnt er nach einer ersten Prüfung ab. Der Grund: keinerlei Aussicht auf Erfolg. Es fehlt das Eigenkapital. „Wie dünn das Eis bei vielen auch nach zehn Jahren Hochkonjunktur ist, ist schon erschreckend“, sagt er.
Eine Erfahrung, die auch Markus Schuhmann immer wieder macht. Der Wirtschaftsprüfer mit eigener Kanzlei in Kirchheim sagt: „Früher galt die Regel, wer zwei bis drei Ausfallmonate nicht übersteht, fällt unter das Kapitel Marktbereinigung.“ Einen grundlegenden Wandel in der Unternehmenskultur will Schuhmann zwar nicht bestätigen. Doch er sagt: „Unternehmer, die nicht nur auf Rendite getrimmt sind und eher konservativ rechnen, überstehen Zeiten wie diese sicher leichter.“
Viele Jahre mit billigem Geld und niedrigen Zinsen haben vor allem Unternehmensgründer in die Falle gelockt. Branchen mit geringen Hürden auf dem Weg zur Selbstständigkeit und hohen Renditeaussichten haben viele dazu verleitet, in schillernde Etikette zu investieren, statt Geld wirtschaftlich unrentabel auf die hohe Kante zu legen. Politiker wie der Kirchheimer CDU-Landtagsabgeordnete Karl Zimmermann fordern deshalb mehr Anreize durch steuerfreie Rücklagen bis zu einer bestimmten Höhe. „Zu viele haben sich auf den Boom verlassen, darauf vertraut, dass es einfach immer so weitergeht“, sagt Zimmermann, der im Beruf als Kripobeamter mit Wirtschaftskriminalität beschäftigt war und angesichts milliardenschwerer Soforthilfen, wie er sagt, die größte Betrugswelle seit Kriegsende wittert.
Widerspruch kommt vonseiten der IHK. Die Eigenkapitalquote von Unternehmen sei seit den Neunzigerjahren generell gestiegen, sagt Bernd Engelhardt, stellvertretender Hauptgeschäftsführer der IHK Region Stuttgart. Mehr als 85 Prozent der kleineren und mittleren Unternehmen verfügten über eine gute Bonität, sagt er, räumt jedoch ein: „Eine Lehre aus dieser Krise wird sicher sein, dass man mehr auf die hohe Kante legt und mit Ausgaben vorsichtiger umgeht.“