Kirchheim
„Nur daliegen wie tot“

Krankheit Vom Bett aus kämpft Faraz Fallahi gegen seine mysteriöse Krankheit. Der Esslinger leidet an ME/CFS.

Esslingen. Faraz Fallahi liegt in einem Zimmer, das immer abgedunkelt ist. Licht und Lärm bedeuten zu viel Stress für sein Gehirn. Seit zwei Jahren hat er seine Wohnung in der Esslinger Pliensauvorstadt nicht verlassen. Aufstehen kann der 39-Jährige nicht mehr, selbst das Aufrichten im Bett wäre zu anstrengend. Seit März 2018 ist der Informatiker an Myalgischer Encephalomyelitis (ME/CFS) erkrankt, die auch chronisches Fatigue-Syndrom genannt wird.

Die Krankheit ist in Deutschland wenig erforscht. Auslöser war bei ihm vermutlich eine Grippe. Anfangs verlief die Krankheit noch vergleichsweise harmlos. Er hatte Zitteranfälle, die Muskeln wurden schwach, oder er bekam Kopfschmerzen, wenn er sich angestrengt hat. Die Ärzte, die ratlos waren, wollten Faraz Fallahi davon überzeugen, dass seine Krankheit psychosomatische Gründe habe. „Ich war der festen Überzeugung, dass dem nicht so ist, denn mit jedem Zusammenbruch, den ich durch Überanstrengung erlitten hatte, wurde es immer schlimmer“, sagt er rückblickend. Vor einem Jahr konnte der 39-Jährige nur noch mit Brei gefüttert werden. Feste Nahrung zu sich zu nehmen, war so anstrengend für ihn geworden, dass er regelmäßig in Ohnmacht fiel. Auch jetzt fällt ihm das noch schwer. „Mein Gehirn kann Reize, egal welche, nur für bestimmte Zeit ertragen“, beschreibt er seinen Zustand. Die Kraft reicht nie länger als 20 oder 30 Minuten. „Danach muss ich wie tot daliegen – ohne Geräusche, Licht und Bewegung, damit ich mich erholen kann“, sagt er. Der Begriff Erschöpfung bagatellisiere diesen Zustand, er spricht von Entkräftung. Schlafen kann er nur mit Schlafmitteln. „Mein Gehirn steht ständig unter Strom und Erregung“, erklärt er. Sein Tag vergeht mit vielen Ruhephasen und sehr kurzen aktiven Phasen, in denen er sich mit seiner Frau oder seinen Eltern, die ihn pflegen, unterhalten kann.

Schätzungsweise zehn bis 20 Prozent der Long-Covid-Patienten entwickeln auch ME/CFS, teilweise seien die Symptome ähnlich. Dass Faraz Fallahi sich damals von Ärzten überreden ließ, in eine psychosomatische Klinik zu gehen, hatte fatale Folgen. „Dort wurde man darauf getrimmt, über die eigenen Grenzen zu gehen, was bei ME/CF genau das Falsche ist“, sagt er. „Jedes Mal, wenn man über diese Grenze geht, riskiert man eine dauerhafte Verschlechterung.“ Die Art, mit der Krankheit umzugehen, sei derzeit nur das Pacing, das bedeutet, dass man sich nur innerhalb der Grenzen seiner verfügbaren Energie bewegen darf.

Bei Faraz Fallahi wurde es vor zwei Jahren so schlimm, dass er sich im Bett nicht mal mehr auf die Seite drehen konnte. Erholt hat er sich seitdem kaum. „Es ist noch immer ein Alptraum“, sagt der Esslinger, der vor seiner Krankheit Teamleiter in einem Softwareunternehmen war. Eine Therapie gegen ME/CFS gibt es nicht, wenn überhaupt können bislang nur einzelne Symptome behandelt werden. Der 39-Jährige gibt aber die Hoffnung nicht auf. Petra Pauli