Kirchheim
Offenes Autofenster ruft Abschleppdienst auf den Plan

Recht Ein Mann aus Kirchheim hat seinen Geschäftswagen in der Nähe des Kirchheimer Ziegelwasens mit runtergelassener Scheibe geparkt – Grund genug für das Ordnungsamt, um einzugreifen. Von Bianca Lütz-Holoch

Mathias Felbecker traut seinen Augen kaum. Vor einer Dreiviertelstunde hat er seinen Geschäftswagen in der Nähe des Kirchheimer Ziegelwasens geparkt. Als er nach einem kurzen Besuch bei einem Bekannten zurückkommt, ist das Auto schon auf dem Abschleppwagen festgezurrt. Dabei ist sich der Kirchheimer ganz sicher, dass er weder im Halteverbot noch vor einer Einfahrt geparkt hat. Der wahre Grund ist auch ein ganz anderer, wie ihm der Mitarbeiter des Ordnungsamtes vor Ort erklärt: Das Fenster an der Beifahrerseite war offen. Mathias Felbecker ist perplex: „Noch nie in meinem Leben habe ich gehört, dass ein Auto wegen einer runtergelassenen Scheibe abgeschleppt wurde“, sagt er.
Tatsächlich hat sich der Fall aber so zugetragen. Das bestätigt Robert Berndt, Pressesprecher der Stadt Kirchheim. Laut Straßenverkehrsordnung müssten Autofahrer ihren Wagen beim Verlassen gegen unbefugte Nutzung sichern: „Sobald eine Fahrzeugtür – oder wie in diesem Fall eine Fensterscheibe – offen gelassen wird, droht grundsätzlich die Gefahr einer unbefugten Nutzung oder eines Diebstahls“, sagt er. Dann könnten Polizei oder Ordnungsamt eingreifen, um den Eigentümer vor dem Verlust von Wertgegenständen zu schützen. Denn es gilt die Annahme: Gestohlene Wertsachen wie Radios, Navis oder Kleidungsstücke neu anzuschaffen kostet potenziell mehr, als einen Wagen abschleppen zu lassen. „Und in diesem Fall waren Wertgegenstände im Auto“, betont Robert Berndt.
Einfach den Abschleppdienst rufen dürfen Polizei und Ordnungsamt aber nicht. Zunächst müssen sie versuchen, den Fahrer oder Besitzer des Autos zu finden. Außerdem muss tatsächlich Diebstahl-Gefahr bestehen. Aus der Perspektive des Kirchheimer Ordnungsamts waren beide Bedingungen erfüllt, wie Robert Berndt darlegt. „Es wurde versucht, den Fahrzeughalter zu ermitteln“, versichert er. „Ergebnis war aber lediglich der Hinweis auf eine Leasinggesellschaft.“ Außerdem habe eine Diebstahl-Gefahr bestanden. In diesem Zusammenhang verweist der Pressesprecher auf die Ereignisse am Wochenende: „In Ötlingen wurden in der Nacht zum Sonntag Wertgegenstände aus mehreren Autos gestohlen.“
Mathias Felbecker kann diese Argumentation nicht nachvollziehen. „Wer mein Auto oder das Radio klauen will, schafft das auch ohne offene Scheiben“, glaubt er. Ohnehin schätzt er die Gefahr am hellichten Nachmittag gering ein. Auch sei der Geschäftswagen nicht bei einer Leasingfirma, sondern bei einem Flottenpool registriert. „Dort müsste man eigentlich wissen, dass ich der Halter bin.“ Dass der Mitarbeiter des Ordnungsamts sich bemüht hat, seinen Namen herauszufinden, kann er sich nicht vorstellen. „Sonst wäre der Abschleppwagen ja nicht so schnell dagewesen.“
Mathias Felbecker hat noch Glück im Unglück: Der Abschleppdienst lädt das Auto an Ort und Stelle wieder ab. „Alles andere wäre schwierig gewesen, weil ich den Wagen für Geschäftstermine brauche“, sagt Mathias Felbecker. Zahlen müsse er aber trotzdem den vollen Preis, hieß es: „Sogar mit Abendzuschlag, weil es kurz nach 17 Uhr war.“ Richtig findet das der Kirchheimer nicht. Er beschließt, die Sache öffentlich zum machen und postet den Vorfall in der Facebook-Gruppe „Stadt Kirchheim unter Teck“ – mit enormer Resonanz.
Gegen das Ordnungsamt hetzen möchte Mathias Felbecker nicht. Dass ein Auto abgeschleppt wird, wenn es in einer Einfahrt oder einer Feuergasse steht, findet er völlig richtig. „Es gibt viele vernünftige Regeln und wir brauchen Leute, die sie durchsetzen“, sagt er. Nach dem Zwischenfall mit seinem Auto zweifelt er aber an der Verhältnismäßigkeit so mancher Maßnahme: „Es wäre schön, wenn das Ordnungsamt in Zukunft mit mehr Augenmaß vorgehen würde“, sagt er.

 

"Abschleppen ist immer das letzte Mittel“

Julian Häußler, Pressesprecher des ADAC Württemberg bestätigt, dass Autos mit offener Scheibe laut Straßenverkehrsordnung und Polizeigesetz abgeschleppt werden können. „In der Praxis sind das aber Einzelfälle, das Abschleppen ist immer das letzte Mittel“, betont er. 

Cabrios mit offenem Verdeck werden Julian Häußler zufolge nicht abgeschleppt – allerdings nur dann nicht, wenn alle Fenster und Türen geschlossen sind. „Dann sind die gesetzlichen Vorgaben erfüllt.“ Cabriolets seien auch generell mit offenem Verdeck zugelassen. „Es ist also erlaubt, so damit zu fahren und auch zu parken.“ 

Selbst bei großer Hitze sollten Autofahrer dafür sorgen, dass alle Fenster in ihrem parkenden Auto geschlossen sind. Einen Tipp für diejenigen, denen Frischluft wichtig ist, hat er trotzdem: „Wer das Fenster nur einen Spalt offen lässt, hat nichts zu befürchten.“bil