Klare Anweisungen. Die hätte Rico Hann und seine Kollegen zu Beginn der Pandemie dringend gebraucht. „Wir haben teilweise täglich neue Anordnungen von verschiedenen Stellen bekommen“, sagt der Leiter der Asklepia-Pflegeheime in Notzingen und Kirchheim. Beispielsweise habe eine Stelle angeordnet, die einzelnen Wohngruppen und deren Pflegekräfte strikt voneinander zu trennen, damit sich im Falle einer Infektion das Virus nicht ausbreiten könne. „Dann kam die Heimaufsicht und sagte, wir sollen alle Gesunden in den einen Wohnbereich verlegen und alle Risikopatienten in einen anderen.“
Ein weiteres Problem, neben solchen widersprüchlichen Aussagen: Personalknappheit. „Weil die Wohngruppen nichts mehr zusammen machen durften, hätten wir eigentlich mehr Betreuungskräfte gebraucht“, sagt Hann. Also Menschen, die mit den Bewohnern turnen, singen, basteln oder spielen - Angebote, die sonst wohngruppenübergreifend stattfinden. Weil nicht ausreichend neues Personal gefunden werden konnte, mussten Betreuungsangebote ausfallen. Und das in einer Zeit, in der die alten Menschen ihre Angehörigen - wenn überhaupt - nur durch eine Scheibe sehen durften.
„Natürlich haben unsere Bewohner unter dem Besuchsverbot gelitten“, sagt Rico Hann im Rückblick. Auch für die Angehörigen und die Pflegekräfte, die normalerweise durch die Besuche etwas entlastet würden, seien es lange Wochen gewesen. Im Fall eines neuen Ausbruchs würde Hann die Regelung aber wieder so strikt durchsetzen wie beim letzten Mal, um die Bewohner zu schützen. „Wenn das Virus bei uns ausbrechen würde, müssten alle ins Zimmer. Und das wäre noch schlimmer“, sagt er.
Eine weitere Schließungsmaßnahme, nämlich der zeitweise Aufnahmestopp, hat sich in den Augen des Asklepia-Heimleiters ebenfalls bewährt und möglicherweise dafür gesorgt, dass die Pflegeheime in Kirchheim und Notzingen vor Ausbrüchen verschont geblieben sind. Pflegekräfte, die Halsweh oder Kopfschmerzen hatten, wurden nach Hause geschickt. Der Umgang des Gesundheitssystems mit Pflegepersonal, das Symptome aufwies, sei anfangs nichts gut gewesen, kritisiert Hann. „Man hätte früher anfangen sollen, testen zu lassen.“
Die Urlaubssaison stellt den Heimleiter nun vor neue Probleme. Viele Pflegekräfte wollen in ihre Heimatländer reisen, um ihre Familien zu besuchen. Das Pflegeheim hat angeordnet, dass sie nach ihrer Rückkehr zwei Wochen unbezahlten Urlaub nehmen müssen, bevor sie wieder bei der Arbeit erscheinen dürfen. „Da nützt auch ein negativer Abstrich nichts“, sagt Hann, für den ein Corona-Test am Flughafen nur eine Momentaufnahme ist.
Schutzkleidung für einen zweiten Ausbruch ist indes ausreichend vorhanden - anders als beim ersten Mal, als sich das Pflegeheim mit genähten Masken einer Schneiderin und gespendeten Masken des Landfrauenverbands Notzingen behelfen musste. Das Desinfektionsmittellager sei voll, genügend Mund-Nasen-Schutz gebe es ebenfalls. „Mit den FFP-2-Masken würden wir vielleicht zwei Wochen durchkommen“, sagt Rico Hann.
Was muss bei einem neuen Anstieg der Infektionszahlen besser werden? „Wir brauchen klare Anweisungen“, sagt Rico Hann und erzählt eine kleine Anekdote. Vor einigen Jahren sei einmal die Heimaufsicht bei ihm gewesen und habe nach einem Pandemieplan gefragt. Natürlich hatte Hann keinen. Nun, mitten in der Pandemie, drängt sich ihm aber die Frage auf: „Warum hat die Bundesregierung keinen Plan gehabt?“