Attacke: Das ist eigentlich kein Begriff, den man mit Verena Grötzinger verbindet. Doch anders als bei ihrer ersten Wiederwahl vor acht Jahren erlebt die 46-Jährige in diesen Tagen einen echten Wahlkampf, und wie sehr sie um ihr Amt kämpft, kann man aus den ersten Zeilen ihrer Rede herauslesen. „Für meinen Mann und mich war es nie eine Frage, ob wir nach Owen ziehen würden oder nicht“, sagt Verena Grötzinger bei der Bewerbervorstellung in der Teckhalle, und es ist klar, dass dieser Satz als Seitenhieb auf ihren Konkurrenten Oliver Knur gemeint ist. Doch dazu später.
Diese Äußerung wird allerdings der einzige direkte Angriff auf den Mitbewerber bleiben. Während ihrer 30-minütigen Redezeit, die Oliver Knur zur Erheiterung des Publikums im nahegelegenen Kindergarten absitzen muss, lässt Verena Grötzinger Fakten sprechen. Und sie betont schon fast gebetsmühlenartig, wie sehr ihr Owen und die Ortsgemeinschaft am Herzen liegen.
Grötzinger spricht über das Erreichte, unter anderem über den ersten Bauabschnitt der Neuen Straße, die Ganztagsgrundschule, die Sanierung der Teckhalle, den Bau von Kindergärten, die auf den Weg gebrachte Ortsrandstraße. Trotz eines Investitionsvolumens von rund 28 Millionen Euro in den letzten 16 Jahren stehe die Gemeinde finanziell gut da und habe sukzessive Schulden abbauen können. Sie zählt auf, was sie in den kommenden acht Jahren vorhat: die Themen der „Perspektive Owen 2035“ umsetzen, ein Nutzungskonzept für die Gaststätte Teck erarbeiten, die Nahversorgung sichern, den Pausenhof umgestalten, die Digitalisierung weiter vorantreiben und vieles mehr.
Die Bürgermeisterin thematisiert auch das fehlende Pflegeheim, von dem sie weiß, dass es ihr angekreidet wird. „Für das Wohnen im Alter haben wir sechs Standorte geprüft, die leider aufgrund fehlender Mitwirkungsbereitschaft der Eigentümer nicht bebaut werden konnten, obwohl wir sogar einen Heimträger und einen Investor hatten“, sagt sie. Ideen für alternative Standorte gebe es schon im Bereich der Kirchheimer Straße und auch in der Gebietserweiterung Owen West. „Messen Sie mich nicht nur daran, was auch mal nicht geklappt oder vielleicht zu lange gedauert hat“, bittet Verena Grötzinger die Owenerinnen und Owener. In der Regel gebe es dafür gute Gründe.
Als es Zeit für Fragen ist, wird sie unter anderem auf die Apotheke angesprochen, die in Owen seit 2014 fehlt und die perspektivisch im Lauterquartier entstehen soll. „Wir hatten schon Räume und einen Apotheker, aber dann ist es an ein paar Quadratmetern zu wenig gescheitert“, sagt sie.
Dann ist es an Verena Grötzinger, in den Kindergarten zu gehen, und Oliver Knur betritt die Bühne. Natürlich geht der Filialleiter der Deutschen Bundesbank in Ulm auf die Frage ein, wie es zur Kandidatur gekommen ist, und gibt zu, Owen bis vor wenigen Monaten noch gar nicht auf dem Schirm gehabt zu haben. Dann sei er gefragt worden, ob er sich vorstellen könne, in Owen für die Bürgermeisterwahl zu kandidieren. „Owen ist eine Stadt, für die es sich lohnt, sich als Bürgermeister zu engagieren“, sagt Knur, der 2017 bei der Bürgermeisterwahl in Ebersbach knapp unterlegen ist und der es nun zum zweiten Mal versucht.
Anders als Verena Grötzinger ist Oliver Knur kein Verwaltungsprofi. Er habe jedoch in 15 Jahren als Ortschaftsrat, zehn Jahren als Gemeinderat und zehn Jahren als ehrenamtlicher Ortsvorsteher in Weiler kommunalpolitische Erfahrung sammeln können, sagt er. Apropos Ortsvorsteher: Dass er dieses Amt auch im Falle einer Wahl in Owen weiterführen will, kommt in der Fragerunde gar nicht gut an. „Der Ortsvorsteher ist für mich ein Hobby, das findet in meiner Freizeit statt. Ich bin da so etabliert, dass ich mein Zeitmanagement im Griff habe“, verteidigt sich Knur und bittet darum, ihm Zeit für eine Nachfolgeregelung zu lassen. Er werde weder Weiler noch Owen hängen lassen, auch wenn der Beruf selbstverständlich vor dem Hobby stehe. „Ich bin es gewohnt, überall 100 Prozent zu geben. 100 Prozent im Job, 100 Prozent im Ehrenamt, 100 Prozent für die Familie“, sagt der Bundesbanker und erntet mit dieser Rechnung bei vielen Kopfschütteln.
Auch die Frage, ob er im Falle seiner Wahl nach Owen umziehen wird, bewegt das Publikum. „Ich werde in Owen wohnen, aber ich bitte um Verständnis, dass ich mich erst mal um die Amtsgeschäfte kümmern müsste, und dann eine neue Bleibe für mich und meine Familie suchen“, sagt Knur. Außerdem sei Wohnraum in Owen knapp. Die Wohnen-Frage hänge deshalb nicht am Wollen, sondern an der Verfügbarkeit.
Auch Knur kann Attacke: Beim Thema Finanzen beschwört er ein düsteres Szenario herauf, in dem der Spielraum der Stadt aufgrund schmelzender Rücklagen schwindet. Ein zweifelhafter Schachzug, den Verena Grötzinger nicht kontern kann, weil sie nicht im Raum ist und keine Redezeit mehr hat. Sollte er zum Bürgermeister gewählt werden, will Knur die Wirtschaft- und Standortsicherung zur „Chefsache mit höchster Priorität“ machen. Gewerbe müsse am Ort gehalten werden. „Ein Baustein dafür wäre es, die Standortstrategie, die aus dem Jahr 2016 stammt, dringend fortzuschreiben“, sagt er.
Weitere Infos zur Bürgermeisterwahl in Owen
Wahl Am Sonntag, 29. September, stimmen die Owenerinnen und Owener darüber ab, wer ab 2024 Bürgermeister ihres Städtchens sein wird.
Kandidaten Um das Amt der Bürgermeisterin beziehungsweise des Bürgermeisters bewerben sich Amtsinhaberin Verena Grötzinger, die eine dritte Amtszeit anstrebt, sowie Oliver Knur. Grötzinger (Jahrgang 1978) ist Diplom-Verwaltungswirtin (FH), sammelte nach dem Studium Erfahrungen als Leiterin der Haupt- und Finanzverwaltung in Dettingen. 2008 wurde sie in Owen zur Bürgermeisterin gewählt. Oliver Knur (Jahrgang 1970) ist Diplom-Betriebswirt und leitet die Filiale der Deutschen Bundesbank in Ulm. Seit 2014 ist er Ortsvorsteher in seinem derzeitigen Wohnort Ebersbach-Weiler (Kreis Göppingen).
Infos Mehr Infos gibt es unter www.verena-groetzinger.de. Oliver Knur informiert auf www.oliver-knur.de. Die Bewerbervorstellung kann als Video angesehen werden auf www.owen.de. adö
