Kirchheim
„Paradiesvögel hält man nicht auf“

Lebensträume Das Auswandererpaar Kathrin und Thommy Mermi-Schmelz hat Kirchheim einen Besuch abgestattet. Die beiden haben neue Pläne. Von Thomas Zapp

Hier haben wir vor zehn Jahren geheiratet“ sagt Kathrin Mermi-Schmelz strahlend, als sie mit ihrem Mann Thommy vor dem Rathaus steht. Es fällt schwer, sich die beiden als Brautpaar in Kirchheim vorzustellen. Vielleicht liegt es am Nieselregen und den niedrigen Temperaturen in der Innenstadt, dass die beiden bekannten TV-Auswanderer wie zwei Zugvögel auf der Reise in den Süden wirken, oder besser wie zwei Paradiesvögel: Kathrin trägt einen knallig-pinken Schal zum mediterranen Gesichts-Teint. Thommy sticht mit seinen markanten Dreadlocks und seinem Markenzeichen in den Nationalfarben Brasiliens auf dem schwarzen Kapuzenpulli hervor: der „Shaka“-Geste mit geschlossener Faust, gespreiztem Daumen und kleinem Finger. Unter Surfern ist sie als Zeichen „Gute Welle“ gebräuchlich.

Auf der schwimmen die beiden wieder, nachdem sie ihrer brasilianischen Wahlheimat vor drei Jahren schweren Herzens „Adeus“ sagen mussten. Aktuell liegt ihre Basis auf der Deutschen liebster Insel. „Auf Mallorca haben wir jetzt ein Domizil. Das gab es in den vergangenen Jahren nicht“, sagt Thommy Schmelz. Die Baleareninsel hat für den Kirchheimer und die gebürtige Wolfsburgerin mehr Möglichkeiten eröffnet. „Als wir hier ankamen und Thommy das erste Mal mit den Hunden rausging, kam er erst nach zwei Stunden wieder“, sagt Katrin Mermi-Schmelz und lacht. So oft sei er angehalten worden von Leuten die ihn erkannt haben. Das kannten sie in Brasilien nicht, wo der nächste Flughafen 500 Kilometer entfernt lag. „Vox-City“ nennt sie ihren neuen Heimatort Paguera wegen seiner hohen Dichte an TV-Auswanderern. Dank seiner Popularität fand das Paar schnell eine Anstellung und kam nach einem erfolgreichen ersten Jahr in der zweiten Saison mit einem zweiten Auswanderer, Frank Knöttgen, zusammen. Das gemeinsame Projekt endete aber im Streit. Die beiden lernten die Schattenseite der Sonneninsel kennen. Ihr ehemaliger Arbeitgeber postete auf Facebook Bilder einer verdreckten Küche und nutzte die Brasilien-T-Shirts der Mermi-Schmelzens demonstrativ als Fußabtreter.

Das Thema haben die beiden abgehakt, für die kommende Sommersaison sind schon die ersten Angebote ins Haus geflattert. Aktuell freuen sie sich nach einem Stopp bei Freundin Jutta in Bissingen auf den Winter in der Skihütte Starchenstadl im österreichischen Wagrain, wo Thommy den Kochlöffel schwingen und Kathrin im Service arbeiten wird. „Wir haben das große Glück, uns aussuchen zu können, wo und was wir arbeiten“, sagt Kathrin. Als es um den kürzlich an Lungenkrebs gestorbenen Kult-Auswanderer Jens Büchner geht, den die beiden auf Mallorca ebenfalls kennengelernt haben, wird sie nachdenklich. „Wir sind auch um die 50 und rauchen beide wie er“, sagt sie. „Lebe dein Leben“, fügt sie energisch hinzu.

Das sei ihr Motto, seit sie Kirchheim vor mittlerweile elf Jahren Richtung Brasilien verlassen haben, um mit Tochter Jessi den klischeehaften Auswanderertraum einer Strandkneipe zu verwirklichen. Das Projekt scheiterte letztlich an fehlenden Gästen, 2015 mussten sie wieder zurückkehren. Bereuen tun sie aber nichts. „Ich glaube, auch für Jessi war es eine wichtige Erfahrung, zu sehen, wie Kinder ohne Geld leben“, sagt sie. Den Traum von Brasilien haben sie und ihr Mann auch noch nicht aufgegeben, aber das Risiko ist ihnen derzeit zu hoch. „Man braucht 50 000 Euro, um ein Investorenvisum zu bekommen“, erklärt Kathrin Mermi-Schmelz.

Derweil ist ihre Tochter im Landkreis wieder richtig heimisch geworden, hat ihr Abitur gemacht und sich verlobt. Die Eltern sind stolz, aber sesshaft werden sie deshalb noch nicht, Mallorca ist ja nur zwei Flugstunden entfernt. „Wir sind offen für alle Schandtaten“, sagt Thommy Mermi-Schmelz. Vorerst ziehen die beiden weiter, und vielleicht wird es ja noch mal etwas mit Brasilien, zum Beispiel mit einer Pension. Ach ja, es gibt auch Job-Angebote aus Südafrika.

„Paradiesvögel hält man nicht auf“, sagt Kathrin Mermi-Schmelz fröhlich. Und wie steht es mit einer Rückkehr nach Kirchheim? „Das ist nicht grundsätzlich ausgeschlossen“, sagt Thommy Mermi-Schmelz. Aber bis man sie wieder regelmäßig vor dem Kirchheimer Rathaus trifft, wird man sicher noch einiges von den beiden sehen und hören.