Die zwei Seiten einer Medaille offenbart die Diskussion über die Wasserkraft. Auf der einen Seite ist Stromgewinnung mithilfe des Wassers eine feste Bank bei den erneuerbaren Energien, denn sie ist „grundlastfähig“, steht also dauerhaft zur Verfügung. Doch jetzt werden immer mehr Stimmen von Umwelt- und Fischereiverbänden laut, die die kleinen Wasserwerke in die „Schmuddelecke“ stellen wollen. Ihrer Ansicht nach müssen Fische und andere Flussbewohner sowie Pflanzen geschützt werden. Dieser Ansicht ist auch Wirtschafts- und Klimaschutzminister Robert Habeck von den Grünen, aus seiner Sicht gibt es zu viele Probleme mit dem Artenschutz. Im Zuge der Novellierung des Erneuerbare Energien Gesetzes (EEG) soll deshalb der weitere bundesweite Ausbau der Wasserkraft nicht mehr gefördert werden.
Matthias Gastel, hiesiger Bundestagsabgeordneter der Grünen, informierte sich an der Lauter in Dettingen bei den Kraftwerksbetreibern über deren Situation. Die gute Nachricht für sie: Sie sind von der Regelung nicht betroffen, denn sie haben Bestandschutz. Seit 114 Jahren leistet die Original-Turbine der Firma Voith gute Dienste, zunächst für die Tuchfabrik Berger, nun für die jetzigen Betreiber Reinfried Kirchner und Hans-Peter Birkenmaier. „Das ist ein Museumsstück, das immer noch funktioniert“, freut sich Birkenmaier. Die Turbine von Gottlob Hummel wurde zwar „erst“ 1949 eingebaut, allerdings wird am gleichen Standort seit etwa 250 Jahren die Wasserkraft genutzt, denn dort stand einst eine Mühle.
„Die Erträge sind fast konstant“, sagt Gottlob Hummel. Doch die vergangenen zwei Jahre spiegeln die Niederschlagsmenge und ihre Extreme wider: 2020 war mit 260 000 Kilowattstunden das schlechteste Jahr, 2021 zählt mit 330 000 Kilowattstunden „zu den sechs bis acht besten Jahren“. Auch Hans-Peter Birkenmaier spricht von einem „sehr guten Jahr“ mit einem Ertrag von 300 000 Kilowattstunden in 2021. „Wir fahren nicht nur Grundlast, sondern wir speisen unseren Strom direkt ins Ortsnetz ein. Das ist regionale Produktion – wir sind quasi der Hofladen für Strom“, sagt es Reinfried Kirchner.
„Die Lauter ist fast mit einem Gebirgsbach vergleichbar. Das Oberflächenwasser kommt schnell und ist auch schnell wieder weg. Wenn bei starkem Gewitterregen das Wasser geschwind kommt, fahren wir die Produktion hoch, wir nehmen alles mit“, erklärt Gottlob Hummel. Allerdings muss er feststellen, dass das Grundwasser fehlt und deshalb prinzipiell „a bissle weniger Wasser“ bei den Turbinen ankommt.
„Kleine Wasserkraftwerke berühren den ökologischen Lebensraum. Man muss die erneuerbaren Energien auch unter diesem Aspekt betrachten – und beides vereinbaren“, sagt Matthias Gastel. Fische und Kleinlebewesen müssten in ihrem angestammten Lebensraum leben können, gleichzeitig schätzt er die konstant produzierte Energie. Das Gewässer müsse so aufgewertet werden, dass es den Vorgaben der EU-Richtlinien entspricht. „Hier gibt es aber kein Schema F“, sagte er und nannte als Beispiel das neue Kleinwasserkraftwerk in Neckartenzlingen, das Strom für 100 Haushalte produziert. Am Ende hätten alle gewonnen, da eine Durchgängigkeit für Fische geschaffen wurde, die es zuvor wegen eines Wehrs nicht gab.
Einen ähnlichen Fischauf- und -abstieg gibt es jetzt auch in Dettingen. „Die Pause für die Fische wurde bei der Planung berechnet“, erklärt Dettingens Bauhofleiter Florian Imrich. Nicht alle Fischarten sind gute Springer. Sie brauchen deshalb genügend Platz und Zeit, um in die nächste Kaskade zu kommen: Sie müssen Anlauf nehmen und sich vor der nächsten Hürde wieder ausruhen können.
Die Fischtreppe wurde an das bestehende Wehr gebaut. Kurz vor dem Gaulsgumpen, einem natürlichen Wasserabsturz, zweigt der Kanal von der Lauter ab. Die Anlage steuert den Einlass in den Kanal. 140 Liter pro Sekunde müssen in die Lauter fließen, der Rest darf in den Kanal zur Stromgewinnung. „Mit dem Hochwasser ist es seither wesentlich besser geworden. Die Fischtreppe ist überflutbar. Deshalb müssen wir das Wehr viel später ziehen als früher. Es hat sich auf einmal pro Jahr reduziert“, freut sich Gottlob Hummel. Die Falle müsste ohnehin einmal im Jahr geöffnet werden, damit das angeschwemmte Sediment abfließen kann.
Die Betreiber sind mit Herzblut dabei
Ohne Eigenengagement läuft bei den Wasserkraftbetreibern in Dettingen gar nichts. Sie machen ihren Job aus Überzeugung. 12,5 Cent bekommen sie für die Kilowatt-Stunde. Die kleinen Betreiber erhalten als Kompensation für die Trockenheit seit vergangenem Jahr drei Cent je Kilowattsunde mehr.
„Wir haben einen Ertrag von etwa 30 000 Euro im Jahr. Davon fließen 10 000 bis 15 000 Euro in die Wartung, das Schmieröl und anderes mehr“, rechnet Hans-Peter Birkenmaier vor. Die großen Investitionen in die Modernisierung der Anlage sind ein weiterer Posten. Zuletzt waren es bei ihm rund 65 000 Euro.
Außerdem mussten sich die beiden Betreiber mit 30 Prozent der Kosten an der Fischtreppe beteiligen. Wegen bürokratischer Verzögerung verteuerte sich das Vorhaben. 70 Prozent stemmte die Gemeinde. Die konnte einen Großteil mit Zuschüssen finanzieren und den Rest mit Ökopunkten verrechnen. ih