Sie leisten einen wertvollen Dienst für die Gesellschaft, freiwillig, ein ganzes Jahr lang. Ob es sich formell um ein Engagement im Bundesfreiwilligendienst handelt, um ein Freiwilliges Soziales oder auch ein Freiwilliges Ökologisches Jahr, spielt dabei keine Rolle. Wichtig ist allein die Rolle, die sie in dem einen Jahr übernehmen. Bei sozialen Diensten sind sie in Altenheimen tätig, in Behinderteneinrichtungen oder auch in der Jugendhilfe. Sie unterstützen die Fachkräfte bei deren Arbeit, übernehmen Schichten – und manchmal bekommen sie auch Zusatzaufgaben wie Fahrdienste, die Begleitung bei Ausflügen oder bei einem Spaziergang. Auch Kleinigkeiten können wichtig sein: Wenn es darum geht, eine Versicherungskarte in der Arztpraxis vorbeizubringen, damit dort ein Rezept ausgestellt werden kann, dann ist auch das eine Aufgabe, die sich an die Freiwilligen delegieren lässt.
Ab 2024 ist dieses System in Gefahr: Jetzt im September berät der Bundestag darüber, die Bundesmittel für die Freiwilligendienste um ein Viertel zu kürzen. Die Diakonie im Landkreis Esslingen reagiert darauf mit einem dringenden Appell an die Politik, diese geplanten Kürzungen zu unterlassen.
Sparen am bestehenden System
„Da geht es ums Sparen an einem empfindlichen Punkt, in einem bestehenden System, und gleichzeitig stößt der Bundespräsident eine Debatte darüber an, einen einjährigen Pflichtdienst für junge Leute einzuführen“, sagt Eberhard Haußmann, der Geschäftsführer der Diakonie im Landkreis Esslingen. „Das verstehen wir nicht. Das Pflichtjahr hätte Kosten von fünf bis acht Milliarden Euro zur Folge, und bei den Freiwilligendiensten geht es jetzt darum, 78 Millionen Euro einzusparen. Das Geld für die Dienste müsste also vorhanden sein.“
Rund 200 Einsatzplätze werden allein über das Diakonische Werk jedes Jahr im Landkreis Esslingen besetzt. Derzeit sind es 171 Plätze. Bei einer Kürzung der Mittel um ein Viertel rechnet Eberhard Haußmann vor, dass es für 2024/25 statt für 200 Freiwillige nur noch einen Finanzrahmen für maximal 150 Dienstleistende gibt. Die Stellen werden also zwangsläufig weniger, obwohl der Bedarf an Freiwilligen eher steigt.
„Die Freiwilligen sind es, die mit gewährleisten, dass der Betrieb funktionieren kann“, konstatiert Jürgen Knodel, Vorstandsvorsitzender der Kirchheimer Stiftung Tragwerk. Er nennt ein Beispiel aus der Sonderpädagogik: „Für Schüler mit Autismus setzen wir FSJler ein, um den sozialen Bedürfnissen der Kinder im Unterrichtsgeschehen gerecht werden zu können.“ Auch für die Zukunft der sozialen Berufe seien die Freiwilligendienste wichtig, weil viele junge Menschen nach dem Dienst eine entsprechende Ausbildung machen. „Die Dienste sind also für die Daseinsvorsorge unserer gesamten Gesellschaft von allergrößter Bedeutung.“
Jochen Schnizler, Geschäftsführer der Diakonie- und Sozialstationen Nürtingen und Neuffener Tal, bringt noch eine ganz andere Perspektive mit ein: „Oft haben wir es auch mit jungen Menschen zu tun, die ein Findungsjahr brauchen, um zu erkennen, was sie nach der Schule wirklich machen wollen. Wir leisten da teilweise auch ein Stück Erziehungsarbeit, um unsere FSJler zu begleiten und sie für ihre Bewerbungen zu ermutigen.“ Außerdem würden sich die jungen Menschen gegenseitig helfen und ihre Erfahrungen austauschen – oft auch noch nach Jahren. „Wenn die studieren und bei uns ihre Ferienjobs machen, ist das für andere Freiwillige eine Art praktische Studienberatung.“ Er erzählt auch von einem jungen Mann, der nach dem Freiwilligendienst eine Lehre als Mechatroniker begonnen hat und nach einem halben Jahr zurückgekehrt ist zur sozialen Arbeit – mit der Begründung: „Autos reden nicht mit mir.“
Reform ja – Kürzungen nein
Die drei Experten haben Vorschläge für eine Reform der Dienste: eine Angleichung an die Bafög-Sätze oder mehr Anreize durch eine bessere Anrechnung auf die Rente. Aber sie warnen davor, die Mittel für die Freiwilligendienste zu kürzen: Solange es das Pflichtjahr nur in Debatten, aber nicht in der Realität gibt, können die sozialen Einrichtungen nicht auf die FSJler oder die Bufdis verzichten. Und die Gesellschaft kann es auch nicht – unter anderem, weil die jungen Leute in ihrem Dienstjahr wichtige Lektionen fürs Leben lernen, Lektionen, die nur die Schule des Lebens vermittelt.