Kirchheim
Polizei: Das Hufgeklapper öffnet die Türen

Sicherheit Zwei Beamte auf Pferden sorgen in der Kirchheimer Innenstadt für Aufsehen. Revierleiter Jürgen Ringhofer setzt bei der Einbruchsprävention auf die Polizisten der Reiterstaffel. Von Anke Kirsammer

Fenster und Türen gehen auf. Köpfe werden herausgestreckt. Leute bleiben stehen und zücken das Handy. Ob Alt oder jung: Passanten huscht ein Lächeln übers Gesicht, als Christian Schwabe und Reiner Christian durch die Fußgängerzone reiten. „Ist das neu? Das habe ich ja noch nie in Kirchheim gesehen“, sagt eine Frau verdutzt. Nein, es ist keine Einsatztruppe des Polizeireviers. Die beiden Beamten gehören zur Reiterstaffel, die in Kemnat stationiert und landesweit unterwegs ist. Üblicherweise werden die Reiter bei Großveranstaltungen wie Demonstrationen oder Fußballspielen eingesetzt. „Stuttgart ist heute ausgefallen“, sagt Christian Schwabe. „Und nach Stuttgart kommt gleich Kirchheim“, schiebt er mit einem Augenzwinkern hinterher. Die Stimmung vor dem Rathaus ist total entspannt. „Das ist auf jeden Fall umweltfreundlich“, so lautet der Kommentar eines Umstehenden. Andere ziehen den Hut davor, wie ruhig die beiden Pferde sind, obwohl ihnen viele Menschen ganz nahe kommen.

 

Der würde am liebsten in den Laden reingehen.
Reiner Christian
Der Polizist über sein Pferd, das gerade eine Portion Karotten und Äpfel verputzt hat

 

Den Besuch in der Teckstadt werden auch Chipsi und Yule nicht vergessen: Eine Tüte voller Äpfel und Karotten und jede Menge Streicheleinheiten vor einer Bilderbuchkulisse am hell erleuchteten Christbaum bekommen schließlich auch die beiden 13-jährigen Warmblüter nicht alle Tage. „Der würde am liebsten in den Laden reingehen“, meint Reiner Christian schmunzelnd. In der Landeshauptstadt kämen auch mal Fragen wie die eines Dreijährigen, der wissen wollte, ob das Pferd denn „echt“ sei.

Berittene Polizisten im Streifendienst: In der Kirchheimer Fußgängerzone sorgen die Beamten hoch zu Ross für große Aufmerksamkeit. Foto: Carsten Riedl

Bei Demos mit aufgeheizter Stimmung können die Pferde bis zu 15 Polizeibeamte ersetzen. Dass sie auch im größten Tumult gelassen bleiben, liegt an der besonderen Ausbildung der Pferde und dem bedingungslosen Vertrauen zwischen Mensch und Tier. „Wir bauen eine enge Beziehung auf“, erklärt Reiner Christian, der seit 33 Jahren zur Reiterstaffel gehört und von Kindesbeinen mit Pferden zu tun hatte.

Mit den Leuten ins Gespräch kommen

In Kirchheim waren die beiden Polizisten hoch zu Ross vor allem, um nach dem Abstecher in der Innenstadt in Wohngebieten, darunter auch in Lindorf und Ötlingen, Einbruchsprävention zu betreiben. Sie machen die Bewohnerinnen und Bewohner auf schräg gestellte Fenster und offene Garagen aufmerksam. „Wenn die Leute das Hufgeklapper hören, gehen die Türen auf“, erklärt dazu der Leiter des Polizeireviers Kirchheim, Jürgen Ringhofer. Ein Streifenwagen erwecke bei weitem nicht die gleiche Aufmerksamkeit. Es gehe darum, mit den Leuten ins Gespräch zu kommen, und das gelinge mit den Pferden ganz einfach. „Es ist nicht so, dass wir Sprit sparen müssen“, so der Revierchef schmunzelnd. Was die Polizisten den Menschen mit auf den Weg gäben, würden die Frauen in den Verein weitertragen, die Männer zum Stammtisch. Über die Reiter in Uniform wird geredet, und genau das ist beabsichtigt. Hoch zu Ross sehen die Beamten über Hecken und Zäune, erkennen, wenn ein Schlüssel steckt oder ein Fenster gekippt ist.

Im Einsatz gibt's jede Menge Streicheleinheiten. Foto: Carsten Riedl

Regelmäßig fordert Jürgen Ringhofer deshalb berittene Polizisten an. Unterwegs waren sie seither in Owen, Weilheim und Bissingen. In Kirchheim hat er sie schon zur Hahnweide und an die Bürgerseen geschickt – dorthin wo „Sicherheits- und Ordnungsstörungen“ vorkommen, wie es im Polizeisprech heißt. Mit seiner Begeisterung hält der Revierleiter nicht hinterm Berg: „Das ist eine super Sache. Leider bekommen wir sie nicht allzu oft“, sagt er bedauernd. Wenn es hochkommt, sind sie zweimal im Monat in der Teckstadt beziehungsweise in der Umgebung unterwegs.

Neugier wird geweckt

In der Fußgängerzone, wo der Bauhof ein paar Hinterlassenschaften der Vierbeiner einsammeln muss, weckt das ungewöhnliche Quartett vor allem Neugier: „Eine Verfolgungsjagd ist mit den Pferden aber nicht drin oder?“, will ein Mann wissen. Doch wie sich am Rollschuhplatz zeigt, sind selbst Treppen kein Hindernis. Die Stufen dort nehmen Chipsi und Yule völlig mühelos.  „ Die Leute haben Respekt“, betont Christian Schwabe im Sattel sitzend. Ein Leichtes auch, jemanden am Kragen zu packen. Derlei Eingreifen ist an diesem Abend, an dem in Kirchheim eine völlig entspannte Atmosphäre herrscht, nicht nötig. „Bleiben Sie oben“, ruft ein Passant den mit klappernden Hufen davonreitenden Polizisten hinterher. „Das sage ich in Stuttgart auch immer“, meint einer der Beamten schlagfertig. Ihren Humor haben sie trotz unzähliger Einsätze bei Demos gegen das Mammutprojekt offenkundig nicht verloren.

In Ausnahmesituationen völlig gelassen 

In Baden-Württemberg gibt es zwei Polizeireiterstaffeln. Mit der Strukturreform 2013 sind sie unter das Dach des Polizeipräsidiums Einsatz geschlüpft. Die Reiterstaffel Stuttgart mit aktuell 20 Pferden sowie 25 Beamtinnen und Beamten ist in Kemnat stationiert und wird von der Bereitschaftspolizeidirektion in Göppingen koordiniert. Die zweite Reiterstaffel des Landes sitzt in Mannheim. Eingesetzt werden die uniformierten Reiterinnen und Reiter überwiegend bei Großveranstaltungen wie Demos oder Fußballspielen und bei besonderen Ereignissen wie Castor-Transporten. Haben sie „Luft“, weil sie für diese originären Aufgaben nicht gebraucht werden, können sie von Revieren beispielsweise in Brennpunkten oder, wie in Kirchheim, zur Einbruchsprävention angefordert werden. 

Beim Präsidium Einsatz sind alle Spezialkräfte und Spezialeinheiten der Polizei Baden-Württemberg angesiedelt. Dazu gehört neben den Reiterstaffeln unter anderem die Wasserschutzpolizei, die Polizeihubschrauberstaffel, das Spezialeinsatzkommando und das Mobile Einsatzkommando.

Pferde, die in Reiterstaffeln eingesetzt werden, bekommen eine besondere Ausbildung, damit sie auch in Ausnahmesituationen gelassen bleiben. „Beim G7-Gipfel hat ein Hubschrauber einen wahnsinnigen Wind und Druck erzeugt“, erzählt Christian Schwabe beispielhaft. Chipsi sei dabei total ruhig geblieben. „Welches Pferd macht das? Das war gigantisch.“ ank