Kirchheim
Preise: Große Papiervorräte sind derzeit Gold wert

Wirtschaft Es sind nicht nur Energiekosten: Dass der Papierpreis derzeit durch die Decke geht, hat eine längere Vorgeschichte. Betroffen sind fast alle Branchen. Von Thomas Zapp

Manche Aktie dürfte derzeit weniger wert sein als das Papier, auf dem sie gedruckt ist. Das Produkt aus Faserstoffen ist gerade ein knappes Gut. Seit Oktober vergangenen Jahres stellt Klaus Rubitzko Preiserhöhungen „im Vierwochenrhythmus“ fest, ein Ende ist noch nicht abzusehen. Dabei sei der Papierbedarf während der Corona-Pandemie zunächst gesunken, sagt der Vertriebsleiter des Kirchheimer Medienunternehmens GO Druck Media. Allein wegen zahlreich gecancelter Werbeaktionen und Absagen von Messen gab es viel weniger Prospekte,
 

„Es ist ein Thema von Preis und Verfügbarkeit.“
Klaus Rubitzko
Vertriebsleiter der GO Druck Media

 

auch Werbematerialien seien weniger verschickt worden. Dies und die gesteigerte Nachfrage nach Verpackungen aufgrund des Zuwachses im Onlinehandel hatten aber zur Folge, dass Papierhersteller ihre Maschinen auf Verpackungen und Kartonagen umstellten.

Als dann die Nachfrage für Druckpapier wieder anzog, konnte sie nicht bedient werden. Gleichzeitig stiegen die Energiepreise, was sich auch auf die energieintensive Papierproduktion auswirkte: „Es ist ein Thema von Preis und Verfügbarkeit“, fasst Rubitzko das aktuelle Dilemma zusammen. Noch kann man bei verschiedenen Händlern deren Lagerbestände abrufen, sofern sie nicht „gebunkert“ werden. Aber irgendwann sind auch diese Reserven aufgebraucht.

Das führt zu einer extremen Planungsunsicherheit. „Wenn Sie als Druckerei heute Papier bestellen, wissen Sie den Preis teilweise erst bei Anlieferung. Aber was sage ich unserem Kunden, der 30 000 Broschüren haben will?“, sagt Ulrich Gottlieb, Herausgeber des Teckboten und Inhaber der GO Druck Media.

 

Auch Bäckereien betroffen

Was für Druckereien und Verlage gilt, stellt auch andere Handwerksbetriebe vor Probleme, die auf den ersten Blick nichts mit dem begehrten Stoff zu tun haben. „Wir hatten zwischendurch nur einen Vorrat für eine Woche, das ist natürlich arg knapp“, erzählt Peter Kienzle, der mittlerweile wieder darüber lachen kann. Denn als ihm seine langjährige Druckerei mitteilte, dass sie nicht mehr bedruckte Papiertüten liefern kann, weil sie selbst keinen Papiernachschub bekommt, hatte der Kirchheimer Bäcker erst mal ein Problem. Stammkunden wurden zeitweise gebeten, Brotsäcke oder alte Papiertüten mitzubringen. Alternativ hatten die Mitarbeiterinnen das Brot in eine Art Packpapier gewickelt. Mittlerweile hat er einen anderen Hersteller gefunden, wenn auch ohne den typischen Firmenaufdruck. Noch lieber ist dem Bäckermeister, wenn seine Kunden gar keine Tüten wollen. „Das ist ja auch im Sinne des Umweltschutzes“, empfiehlt er.

Auch beim Lenninger Unternehmen Ero-Etikett bekommt man die Preissprünge zu spüren. Von Preissteigerungen im hohen zweistelligen Prozentbereich spricht Prokurist Sven Lamparter. Die hätten aber schon vor Beginn der Ukraine-Krise ihren Anfang genommen. „Das hat vor anderthalb Jahren begonnen, dann kamen die Logistikprobleme in China hinzu, dann steigende Energiepreise und zuletzt der Streik bei UPM, einer der wichtigsten Papierproduzenten mit einem großen Anteil am europäischen Markt für selbstklebende Etiketten“, erzählt er. Vier Monate habe der Ausstand gedauert.

Bei Ero-Etikett, die unter anderem Unternehmen der Lebensmittelbranche als Kunden hat, hat sich das vor allem beim Faktor Zeit bemerkbar gemacht. Statt Lieferzeiten von wenigen Tagen oder Wochen für Rohmaterialien für Etiketten sind es jetzt bis zu sechs Monate. Mit angepasster Disposition und Lagervorräten habe man für die Kunden das Allermeiste auffangen können, so Lamparter. 

Allerdings hängt die Papierknappheit nicht nur mit der aktuellen Energiekrise zusammen. Durch die Schließung von Druckereien, eingestellten Zeitschriftentiteln und einem Digitalisierungsprozess ist die Produktion von Druck- und Schreibpapier in den vergangenen zehn Jahren um 32 Prozent zurückgegangen. „Sie haben weniger Altpapier und Zellstoff zur Verfügung, der für die Papierherstellung notwendig ist“, sagt Ulrich Gottlieb. Hinzu kommt noch, dass die Papierindustrie in Sachen Zellstoff mit der Bauindustrie konkurriert, denn das ist ein wichtiger Bestandteil für viele Bau- und Dämmstoffe.