Redakteurin Irene Strifler ist dafür:
Sprache schafft Bewusstsein. Frauen machen gut die Hälfte der Bevölkerung aus, Frauen sind längst in allen Berufssparten zu finden. Es ist völlig normal, zur Optikerin oder zur Ärztin zu gehen, oder?
Von wegen! Erst in den 90er Jahren haben weibliche Berufsbezeichnungen Einzug in den Duden gehalten. Ganz schön spät angesichts der Tatsache, dass die Frauen längst nicht mehr aufs Heimchen am Herd begrenzt waren. Bis in die 70er Jahre gab es sogar den Begriff „Fräulein“. Ihn verwenden heute nicht mal mehr Ewiggestrige. Mit dem Aussterben des „Fräuleins“ oder zumindest zeitgleich hat sich auch die Wertschätzung gegenüber unverheirateten Frauen verändert.
Ich jedenfalls habe mich nie als Journalist gefühlt, sondern immer als Journalistin – auch als das noch kein Frauenberuf war und es kein „gendern“ gab. Respektvoller Umgang mit Sprache und Lebensrealität bedeutet längst auch gendergerechte Sprache. Von „Journalistinnen und Journalisten“ zu reden, ist wahrlich ein geringes Opfer, das jedoch übers Selbstverständnis des Sprechenden viel aussagt.
Dass Sternchen und Unterstriche die deutsche Sprache verunstalten, ist Quatsch. Schließlich streuen sowohl Weltfirmen wie auch örtliche Vereine sogar ungeniert Großbuchstaben in Worte ein. Zudem hat die deutsche Sprache ohnehin überdurchschnittlich viele Satzzeichen, warum nicht auch ein Sternchen? Und die berühmte Sprechpause gibt es im Deutschen schon zuhauf, man denke im Land der Streuobstwiesen an den „Hoch – Pause – ent – Pause – aster“.
Klar: Wer plötzlich gendern will, muss das erst lernen. Jeder Fortschritt ist mit Mühen verbunden, immer bleiben ein paar Rückwärtsgewandte auf der Strecke. Doch was viele tun, wird ganz langsam selbstverständlich. Mag sein, dass die Tagesschau noch eine Weile braucht, andernorts hat es sich längst eingebürgert: Heutejournal-Frontman Claus Kleber und ARD-Talkikone Anne Will sprechen längst von „Journalist – Pause – innen“.
Redakteur Thomas Zapp ist dagegen:
„Guten Abend, meine Damen und Herren.“ Noch begrüßt die Tagesschau so ihre Zuschauerinnen und Zuschauer. Aber geht es nach den Verfechterinnen und Verfechtern der Gendersterne (*) reicht das in Zukunft nicht mehr aus. Denn es werden eine ganze Menge Menschen ausgeschlossen, die sich geschlechtsmäßig irgendwo dazwischen zuordnen und mit dem * Erwähnung finden sollen. Nur was soll das in oben genanntem Beispiel sein? Mensch*innen? Leut*innen?
Ich gebe es zu: Ich lehne dieses Sternchen ab, weil es in meinen Augen Sätze und damit Verständnis zerstört. Oder wissen Sie, wer mit „Sinti*zze und Rom*nja“ gemeint ist? Meine bald 85-jährige Mutter mit Sicherheit nicht. Außerdem stört mich die Selbstverständlichkeit, wie in bestimmten Kreisen mit diesen Worten verbal um sich geschmissen wird und in sozialen Netzwerken abfällig über Leute geurteilt werden, die es wagen, Kritik oder Ablehnung zu formulieren, wenn ein Artikel mit den Worten beginnt: „Er ist Rom. Er ist schwul.“ Wer hier gegenredet, sich vielleicht über ein Witzchen über seinen letzten Besuch der italienischen Hauptstadt hinreißen lässt, landet schnell in der rechten, homophoben und rassistischen Ecke.
Denn das geht mir am meisten gegen den Strich: Der missionarische und völlig spaßfreie Eifer der Befüworter von Gendersternchen und Co, das Verächtlichmachen von Leuten, die aus Alters-, Bildungs- oder Soziailsierungsgründen mit den Sprachforderungen nicht zurechtkommen. Was vorgeblich erreicht werden soll, die Sichtbarmachung benachteiligter, diskriminierter oder vergessener Identitäten führt auf diese Weise nicht etwa für mehr Verständnis innerhalb der anderen Teile der Gesellschaft, sondern zu einer Spaltung.
Mein Vorschlag zur Güte für die sicher bald aufkommende Diskussion zur Tagesschau-Begrüßung: Ein Comeback für die gute alte Grußformel von Sportschau-Legende Heribert Faßbender: Guten Abend allerseits.