Kirchheim. Zwei 18-jährige Schüler sind am Stuttgarter Landgericht angeklagt, bei einer Public Viewing-Veranstaltung während der Fußball-Europameisterschaft 2024 in Kirchheim andere mit Fäusten und einem Messer verletzt zu haben.
Der Strafprozess gegen das jugendliche Duo hat am Freitag vor der 2. Großen Jugendstrafkammer des Stuttgarter Landgerichts begonnen. Der Hauptbeschuldigte, dem auch eine Mittäterschaft an einem Wendlinger Supermarkt-Raubüberfall vorgeworfen wird, befindet sich in Untersuchungshaft und wurde dem Gericht in Handschellen vorgeführt. Sein Mitangeklagter hingegen, dem Bedrohung und gefährliche Körperverletzung anlässlich des Kirchheimer Angriffs vorgeworfen wird, befindet sich auf freiem Fuß.
Die Staatsanwältin legt den beiden zur Last, am 5. Juni letzten Jahres auf einem Areal in Kirchheim während der gerade laufenden Bildschirm-Übertragung der Fußball-EM zunächst Streit mit anderen Jugendlichen begonnen, dann eine Schlägerei angezettelt, mit Fäusten auf andere eingeschlagen und zuletzt ein Messer eingesetzt zu haben. Einer der beiden habe dabei einem Besucher mit dem Messer Stichverletzungen am Bauch zugeführt, was die Anklage als gemeinschaftlichen versuchten Totschlag und gefährliche Körperverletzung einstuft.
Einem weiteren Opfer gegenüber soll der zweite Angeklagte zudem weitere Stiche mit dem Messer angedroht haben. Die Anklage geht hier allerdings nur von einer strafrechtlichen Bedrohung nach dem Jugendrecht aus.
Im zweiten Teil der am Freitag vorgetragenen Anklageschrift geht es um einen Raubüberfall am 8. Juni letzten Jahres in Wendlingen, bei dem eine Pistole als Drohmittel zur Erlangung von Bargeld eingesetzt worden sei. Der 18-Jährige habe zusammen mit einem weiteren – unbekannten – Mittäter gegen 20 Uhr den Einkaufsmarkt in der Albstraße betreten, einem dort anwesenden 16 Jahre alten Mitarbeiter des Marktes die Waffe vorgehalten und Geld gefordert. Insgesamt sollen die Räuber damals rund 1500 Euro erbeutet haben, heißt es in der Anklage. Das Geld habe man sich hinterher geteilt.
In einem weiteren Vorwurf gegen den 18-Jährigen, der allerdings gestern noch nicht zur Anklage kam, geht es um eine Schlägerei zwischen drei weiteren Jugendlichen im März vergangenen Jahres in Kirchheim, wobei der 18-Jährige einen der Beteiligten, der bereits durch Schläge zu Boden gegangen war, noch zusätzlich durch Fußtritte an den Kopf erheblich verletzt habe. Wann diese Anklage zu einem Verfahren kommt, ist noch offen.
Bezüglich der Vorfälle in Kirchheim mit dem Messer bekunden die beiden Angeklagten, dass damals gar kein Messer im Spiel gewesen sei. Es habe eine Schlägerei gegeben, in dessen Verlauf einer der Anwesenden den hauptbeschuldigten 18-Jährigen plötzlich am Arm gepackt habe. Nur dagegen will er sich mit der Faust gewehrt haben. Wie viele Beteiligte sich damals auf der Veranstaltung befanden und wie viele sich geprügelt haben, daran erinnern sich die beiden Angeklagten nach eigenem Bekunden nicht. Es habe Faustschläge gesetzt, einer habe sogar einen Döner geworfen. Das alles habe sich während eines WM-Spiels kurz vor dem Ende der zweiten Halbzeit zugetragen.
Die Richter der 2. Großen Strafkammer fragen bezüglich des Messereinsatzes nach, ob man genau wisse, dass kein Messer dabei war. Der 18-Jährige antwortet: „Das weiß ich einfach!“ Und dies, obwohl die Ermittlungen der Polizei und der Staatsanwaltschaft zu anderen Ergebnissen gekommen sind.
Die Richter haben insgesamt sechs Verhandlungstage zur Aufklärung der Vorwürfe gegen das beschuldigte Duo terminiert. Nächster Prozesstag, an dem auch die ersten Zeugen und ein Sachverständiger gehört werden sollen, ist für den 22. Januar angesetzt. Ein Urteil soll am 25. Februar gesprochen werden. Bernd Winckler