Kirchheim
Rabiater Räuber ein Fall für den Zwangsentzug?

Justiz Der 32-jährige Kirchheimer, der wegen elf Straftaten vor Gericht steht, hat offenbar ein Alkoholproblem.

Der Angeklagte hat möglicherweise ein Suchtproblem. Symbolfoto

Kirchheim. Im Strafprozess am Stuttgarter Landgericht gegen einen 32-jährigen Kirchheimer, dem insgesamt elf Gewalt-Straftaten vorgeworfen werden, hat jetzt die Beweisaufnahme begonnen. Der Mann soll seine Freundin misshandelt, in zahlreichen Fällen Polizisten beleidigt und verletzt haben (wir berichteten).

In dem Prozess vor der 7. Großen Strafkammer geht es im Einzelnen um Fälle gefährlicher Körperverletzung, Bedrohung, Widerstand und Angriff gegen Vollstreckungsorgane, und in einem Fall um Raub, wobei die Stuttgarter Staatsanwaltschaft schon bei der Abfassung der dicken Anklageschrift ein „besonderes öffentliches Interesse“ an der Verfolgung dieser Taten ausdrücklich bejaht hat. Zudem hat ein psychiatrischer Sachverständiger schon im Vorfeld der Verhandlung gegen den 32-Jährigen dessen eingeschränkte Schuldfähigkeit durch eine mutmaßliche seelische Störung festgestellt.

Dabei geht es in erster Linie um das Verhalten des Beschuldigten zu den jeweiligen Tatzeiträumen: so vor allem am 31. August 2021, als er in seiner Wohnung in einer Ötlinger Unterkunft seine damalige Lebensgefährtin durch Schläge erheblich verletzt haben soll. Hierzu hat das Gericht gestern den ermittelnden Polizeibeamten vernommen, der davon berichtete, dass der Angeklagte bei der Polizei kein Unbekannter sei. Nach dessen Ermittlungen hatte der 32-Jährige damals die Frau mit zwei kräftigen flachen Handschlägen im Gesicht verletzt, da sie offensichtlich eine Geldforderung abgelehnt hatte. Die Frau habe versucht, mit dem Fahrrad vor ihm zu flüchten, er habe sie jedoch vom Rad gestoßen. Zuvor soll er sie auch die Treppe in der Unterkunft hinunter gestoßen haben, ehe er ihr gewaltsam die Geldbörse mit 100 Euro-Inhalt abnahm.

80 Euro von dieser Beute hätten seine Kollegen bei der Durchsuchung des Zimmers des Angeklagten unter einem Kissen gefunden. Der 32-Jährige selbst habe dazu ausgesagt, er hätte die fehlenden 20 Euro zunächst für Alkoholika ausgegeben. Zur Tatzeit selbst soll der Mann ebenfalls erheblich betrunken gewesen sein. Der Zeuge berichtet auch, dass es mit diesem Mann schon früher mehrfach Vorfälle gegeben habe.

Zum Vorwurf eines Verstoßes gegen die im Jahre 2021 geltende Corona-Verordnung, in dem Fall die Maskenpflicht in öffentlichen Räumen, habe sich der 32-Jährige bei einer Polizeikontrolle in Stuttgart als erklärter Maskengegner eine wüste Rangelei mit mehreren Bundespolizisten geliefert, sagte ein Beamter im Zeugenstand. Er habe sich absolut aggressiv verhalten und die mehrfache Aufforderung, Gesicht und Nase gegen die Verbreitung des Virus zu bedecken, vehement abgelehnt und auch die Herausgabe seiner Personalien verweigert. Bei dieser Kontrolle soll der Angeklagte laut den polizeilichen Aussagen wüste Drohungen, darunter auch Todesdrohungen, ausgestoßen haben. Unter anderem habe er auch Beleidigungen unter der Gürtellinie von sich gegeben, bei seiner Festnahme in einer Verwahrzelle habe er um sich geschlagen. Um ihn zu bändigen, hatte man mehrere Beamte hinzuziehen müssen. Das Geschehen wurde von einer Überwachungskamera festgehalten und am gestrigen Prozesstag auf dem Gerichtsmonitor gezeigt.

Die weiteren Zeugen, die das Gericht jetzt noch am nächsten Verhandlungstag, dem 8. März, hören will, sollen über Vorgänge vom 28. März 2019, vom 13. und 24. sowie 28. August – und dem 18. Februar und 19. März 2023 – gehört werden. Dabei soll der Beschuldigte nicht nur mehrfach seine Lebensgefährtin, sondern auch deren zwölfjährige Tochter angegriffen und verletzt haben. Der letzte angeklagte Vorfall datiert vom 21. Juli vergangenen Jahres, als er die Frau nach Faustschlägen dann wiederholt die Treppe in der Unterkunft hinabgestoßen und sie dabei erheblich verletzt haben soll. Hier lautet der Vorwurf auf gefährliche Körperverletzung.

Da der Verdacht bestehe, dass der Angeklagte alkoholbedingt nur eingeschränkt schuldfähig sein könnte, droht ihm neben einer Haftstrafe auch noch die Einweisung in eine geschlossene Entzugseinrichtung. Diese Entscheidung wollen die Stuttgarter Richter dann am Mittwoch, 27. März, fällen. Bernd Winckler