Ach, die Kinder kennen einfach keine Gedichte mehr! So klagt mancher, der einst noch mit Schillers Glocke traktiert wurde. Gedichte aufsagen ist out, sowohl im Schulunterricht als auch bei der Familienfeier; Gedichte lernen ist also nicht der Mühen wert. - Wirklich? Gerade heute könnte das Gegenteil der Fall sein! Horden bettelnder Kinder werden zur Halloween-Nacht wieder durch die Straßen stromern, mehr oder eher weniger fantasievoll verkleidet und mit Baumwolltüten bewaffnet. Ihr Ziel: reiche Beute an Süßigkeiten zu machen.
Der Brauch wird nicht nur in Kirchenkreisen kritisch gesehen. Nachbarn sind zunehmend genervt, wenn die fünfte Kindergruppe klingelt und grinsend einfach nur die Hand, sprich den Beutel, aufhält. Ein Gedicht? Fehlanzeige! Ein Lied? Ratlose Blicke! Allenfalls „Süßes, sonst gibt‘s Saures!“ presst die Kinderblase aus der Nachbarschaft meist gerade so zwischen den Zähnen hervor. Konsumhaltung durch und durch! Dabei gäbe man viel lieber, wenn die Kleinen „Der Mond ist aufgegangen“ oder ähnliches darböten, gern auch schräg geträllert oder stockend rezitiert.
Also los, Leute, zeigt, was ihr drauf habt: Lernt Gedichte, bis heute Abend ist noch Zeit! Von Irene Strifler