Im Jahr 1995 öffneten sich die Türen der Scholderbeck-Filiale in der Dettinger Straße in Kirchheim zum ersten Mal, das letzte Mal am 31. Juli 2024. Die Schuld daran trägt nach den Worten der Geschäftsführerin, Eve Neubold-Sigel, die neue Verkehrsführung: Seitdem Poller die Ziegelstraße für den Autoverkehr sperren, seien deutlich weniger Menschen in die Filiale gekommen. Auf einem Aushang an der Eingangstür der geschlossenen Filiale ist zu lesen, dass die Kundenfrequenz seit Februar 2023 stark zurückgegangen sei. „Unter diesen Gegebenheiten ist es nicht möglich, unseren Laden kostendeckend zu betreiben“, heißt es dort. Auch andere Geschäfte haben die Änderung wahrgenommen: „In der Straße sind weniger Menschen unterwegs, seitdem das hier eine Sackgasse ist“, erzählt eine Dame, die anonym bleiben möchte.
Auch Achim Kächele, Inhaber von Küchen Schlatter, kann sich mit der neuen Verkehrsführung nicht anfreunden: „Mit den ersten Pollern, die vor ein paar Jahren fest in der Stiegelstraße verankert wurden, waren wir einverstanden.“ Vor seinem Geschäft sei es vorher zugegangen wie auf der Rennpiste – das gehöre seitdem der Vergangenheit an. Die zwei Poller, die die Ziegelstraße für den Autoverkehr sperren, seien jedoch zu viel gewesen. Der Geschäftsmann fragt rhetorisch: „Wer will schon in eine Sackgasse fahren?“
Umständlich wenden
Durch die neue Verkehrsführung ist es zwar noch möglich, auf den Rössleplatz zu fahren, allerdings muss man dort wenden, um wieder herauszukommen. Dazu kommt der mobile Poller, der am oberen Ende – Richtung Rewe – angebracht ist und abends herausgefahren wird. Kächele erzählt: „Es ist schon passiert, dass jemand auf dem Rössleplatz geparkt und eingekauft hat und dann nicht mehr raus konnte, weil der Poller oben war.“ Ihn treffe die Verkehrsführung nicht so hart wie die Scholderbeck-Filiale, die nun geschlossen wurde. Kächele sagt: „Zu uns kommen die meisten Kunden ganz gezielt. Eine Küche kaufen die wenigsten spontan.“ Dennoch ist er der Meinung, dass die neue Verkehrsführung ungünstig ist: Der Durchgangsverkehr fehle, die Geschäfte würden nicht mehr gesehen.
Oberbürgermeister Pascal Bader bezieht Stellung: „Ziel des Beschlusses war und ist es, die Konfliktsituationen zwischen unterschiedlichen Verkehrsarten zu beheben.“ Es sei auch darum gegangen, die Dettinger Straße attraktiver zu gestalten.
Ein weiteres Problem besteht aus Kächeles Sicht darin, dass es für die Länge der Fußgängerzone zu wenige Parkplätze gibt. Am unteren Teil der Fußgängerzone sehe das ganz anders aus. Am Rossmarkt sind Parkmöglichkeiten vorhanden. Das würde er sich auch am oberen Ende der Fußgängerzone wünschen. Sonst würden immer weniger Menschen kommen – erst recht keine Kunden von außerhalb, so Kächele. Pascal Bader erläutert, dass weitere Pkw-Parkplätze auf Höhe des Rewe-Supermarkts eingerichtet wurden.
Die Schließung der Bäckerei stößt auch im Friseursalon Velly auf Bedauern. „Wir haben dort sehr gerne eingekauft, und auch unsere Kunden sind gerne rübergegangen“, sagt die Leiterin des Friseursalons, Maria Savoza. Obwohl es in der Straße seither ruhiger geworden sei, könne sie keinen Rückgang der Termine verzeichnen.
Schnelle Lösung finden
Auch Dagmar Kneile von „Schall und Rauch“ bedauert die Schließung der Bäckerei-Filiale: „Die älteren Menschen vor Ort waren auf die Filiale angewiesen.“ Es sei schön gewesen, einen Bäcker in der Nähe zu haben.
Michael Kneile, der Inhaber des Tabakhauses Schall und Erster Vorsitzender des City Rings, findet, dass die obere Dettinger Straße attraktiver sein könnte. Die Verlängerung der Fußgängerzone sollte, so Kneile, eigentlich dazu führen, dass dort mehr Menschen unterwegs sind. Bisher sei sein Umsatz eher zurückgegangen. Dennoch möchte er die neue Verkehrsführung nicht verteufeln. Seiner Meinung nach wurde der obere Teil der Dettinger Straße über viele Jahre hinweg vernachlässigt, und jetzt sei versucht worden, das alles auf einmal in Ordnung zu bringen. Wie genau die Straße attraktiver werden kann, werde schon seit Jahren überlegt. „Wenn wir die Lösung hätten, wären wir schon um einiges schlauer.“ Bei einem ist er sich jedoch relativ sicher: Das braucht Zeit.
Eve Neubold-Sigel kritisiert vor allem die Kommunikation mit den Händlern
Die Kommunikation im Rahmen der Beschlussfindung hat der Geschäftsführerin der Bäckerei Scholderbeck, Eve Neubold-Sigel, sowohl vonseiten der Anwohner als auch vonseiten der Stadtverwaltung gefehlt. Im Herbst 2021 habe eine Unterschriftenaktion einiger Anwohner den Stein ins Rollen gebracht, erzählt sie. Sie sprachen sich für eine Fußgängerzone in der oberen Dettinger Straße aus. Gegen dieses Vorhaben, so Neubold-Sigel, seien einige der ansässigen Händler von Anfang an gewesen, weil sie einen wirtschaftlichen Nachteil befürchteten. Die Scholderbeck-Filiale habe einen Umsatzrückgang von rund 20 Prozent gehabt – zu viel, um das aufzufangen, sagt Neubold-Sigel. Achim Kächele ist der Meinung, dass die Entscheidung der Stadtverwaltung bereits vor dem Austausch mit den Händlern feststand. Eve Neubold-Sigel sagt versöhnlich: „Ich habe mit der ganzen Sache abgeschlossen.“ Dennoch habe sie Oberbürgermeister Pascal Bader in einem persönlichen Gespräch gesagt, dass diesem das Wohl der rund 300 Anwohner wichtiger sei als das der fünf, sechs Händler vor Ort.
Dass die Meinung der Händler nicht eingeholt wurde sowie eine mangelnde Kommunikation kann Pascal Bader nicht bestätigen. „Mir sind die Meinung und der Erfolg der Kirchheimer Händlerschaft sehr wichtig. Mein Ziel ist es, dass die Fußgängerzone in der Dettinger Straße zunehmend ein Erfolg für alle wird – für die Unternehmer und die Anwohnerschaft.“