Kirchheim
Reaktion auf Sprengungen: „Wir bauen keine Automaten ab“

Kriminalität Immer brachialer gehen Banden vor, um Geldautomaten aufzubrechen. Im Kreis wollen Sparkassen und Banken das Angebot jedoch aufrechterhalten – mit einigen Neuerungen. Von Thomas Zapp

Der Polizeibericht vom 31. Januar liest sich wie eine Räuberpistole: „Unbekannte haben am frühen Dienstagmorgen auf dem Parkplatz eines Supermarkts in der Neue Straße in Nabern einen freistehenden Geldausgabeautomaten gesprengt und ausgeplündert.“ Zudem flüchteten die Räuber in einem hochmotorisierten Audi und überfuhren dabei fast einen Polizeibeamten. Und am 25. November vergangenen Jahres wurde gegen 2 Uhr morgens ein Geldautomat in Neuhausen auf den Fildern gesprengt, der nicht frei stand: „Durch die Wucht der Detonation entstand an dem Geschäfts-/Wohnhaus ein hoher Sachschaden, der noch nicht beziffert werden kann“, teilte die Polizei damals mit. „Schockiert“ von solchen Meldungen war auch Stefan Gerlach, Vorstandsmitglied und Fachrat für Zahlungsverkehr in der VR Bank Hohenneuffen-Teck, die außer dem in Nabern noch 18 weitere Geldausgabeautomaten betreibt. „Da ist ein Schaden von mehreren 10 000 Euro entstanden“, sagt er. 

Bedenkt man, dass ein Geldautomat für jede Bank ein Zuschussgeschäft ist, wegen Anschaffung, möglicher Grundstücksmiete sowie Reinigung und Wartung, liegt der Gedanke nahe, dass künftig weniger SB-Automaten aufgestellt werden. Aber: „Aktuell prüfen wir keinen Abbau“, betont Gerlach. Bei der Sparkasse im Kreis sieht man es genauso: „Wir bauen keine Automaten ab“, bekräftigt Martin Turetschek von der Kreissparkasse Esslingen-Nürtingen, die im Landkreis 128 SB-Automaten stehen haben. Bundesweit dächten Banken durchaus über eine Reduktion nach, weiß Stefan Gerlach von entsprechenden Meetings.

Zwar ist das Phänomen der „Automatensprenger“ schon seit Jahren bekannt, aber in letzter Zeit gehen die Täter immer brachialer und rücksichtsloser vor. Früher hätten die Kriminellen Gas in den Automaten eingeleitet und dann eine Explosion herbeigeführt, erklärt Stefan Gerlach. Seit es den Gassprengungsschutz an den meisten Automaten gibt, seien die zunehmend organisiert auftretenden Täter jedoch – wie in Nabern und Neuhausen – auf Festsprengstoff übergegangen. Der ist deutlich zerstörerischer, bringt aber auch wie in Neuhausen Anwohner und Gebäude in Gefahr. 

Geld unbrauchbar machen

Der technische Wettlauf zwischen den Automatenherstellern und Automatensprengern befindet sich in vollem Gange: „Es gibt die Variante, das Geld unbrauchbar zu machen“, sagt Stefan Gerlach. Die Schutzsysteme reagieren dabei in Sekundenbruchteilen auf eine Detonation und verfärben oder verkleben die Banknote. Die zweite Variante ist dabei nachhaltiger, denn: „Der Wirkungsgrad der Färbesysteme ist nicht immer befriedigend. Zudem beobachten wir, daß das Täter nicht abschreckt - es scheint mittlerweile einen Schwarzmarkt für eingefärbte Scheine zu geben.“ So oder so werden die Banken nachrüsten: „Wir werden verstärkt neue Geräte anschaffen“, sagt Martin Turetschek. Das wird enorme Inves­titionen für die Geldinstitute bedeuten, je nach Ausstattung und Funktionen kostet ein Automat zwischen 30 000 und 50 000 Euro.

Das wird Kunden vermutlich nicht auffallen, eine andere Änderung schon. „Perspektivisch wird man wohl dazu übergehen, die SB-Stellen nachts zu verschließen“, sagt Stefan Gerlach. Das wäre wahrscheinlich die wirksamste Methode, gehört das nächtliche Anbringen von Sprengstoff zum Modus Operandi der Gauner. Für die Anwohnerinnen und Anwohner in Nabern hat Stefan Gerlach aber eine gute Nachricht: „Ich bin zuversichtlich, dass es bald ein neues Gerät dort gibt.“ Nur der genaue Zeitpunkt stehe noch nicht fest – und welches Sicherheitssys­tem es haben wird.

 

Bande wird gefasst

Der Staatsanwaltschaft Bamberg, dem Landeskriminalamt Baden-Württemberg und dem Bayerischen Landeskriminalamt ist ein gemeinsamer Schlag gegen eine Gruppe von Geldautomatensprengern aus den Niederlanden gelungen. Den Tatverdächtigen wird vorgeworfen, bundesweit – darunter schwerpunktmäßig in Bayern und Baden-Württemberg – Geldautomatensprengungen verübt zu haben. Der Gruppe werden innerhalb der letzten 15 Monate über 50 Fälle bundesweit zugerechnet. Allein in Baden-Württemberg schlug die Gruppe im Zeitraum von November 2021 bis Dezember 2022 in mutmaßlich 17 Fällen zu. Sie erbeutete dabei rund 1,8 Millionen Euro Bargeld. Regelmäßig übersteigt der verursachte Schaden sogar die Beutesumme, der damit ebenfalls im Millionenbereich liegt. pm