Kirchheim. Der Friedhof hat seinen Namen der Tatsache zu verdanken, dass er „eingefriedet“ ist. Er heißt also nicht so wegen des Friedens, der dort herrschen könnte. Manchmal ist das Leben auf dem Friedhof sogar von großem Unfrieden geprägt, beispielsweise von Ende März bis Juli auf dem Alten Friedhof in Kirchheim - weil das Miteinander von Mensch und Tier nicht so funktioniert, wie es der Mensch gerne hätte.
Das Problem sind die Vögel, vielleicht nicht ganz so extrem wie bei Hitchcock. Aber sie sorgen doch für beträchtliche Unruhe an dem ruhigen Ort: 2016 hat sich das erste Graureiher-Paar auf dem Alten Friedhof niedergelassen. Im Frühjahr und Frühsommer 2019 waren es bereits neun Paare. „Die Kolonie dürfte weiter wachsen“, prognostiziert Wolf Rühle, der Umwelt- und Naturschutzbeauftragte der Stadt Kirchheim.
Die Graureiher haben etliche Gegner: Für Fischer und Angler sind sie Konkurrenten. Wer in der Nähe des Friedhofs wohnt, klagt über den Lärm während der Brut- und Nistzeit, auch über nächtlichen Lärm. Und dann sind da noch die Friedhofsbesucher, die am helllichten Tag und bei strahlendem Sonnenschein einen Regenschirm brauchen, um sich - immer wieder auch bei Beerdigungen - gegen das zu schützen, was die Reiher von oben abwerfen: Kot, Essensreste, verendete Jungvögel oder auch Nestbaumaterial.
Nachdem sich die Beschwerden gehäuft haben, sieht sich die Stadtverwaltung zum Handeln veranlasst, was aber alles andere als einfach ist: Obwohl die Graureiher nicht mehr zu den bedrohten Tierarten zählen, handelt es sich nach wie vor um geschützte Vögel.
Die einzige Möglichkeit, auf dem Alten Friedhof wieder für Ruhe zu sorgen, besteht darin, die Unruhestifter zu vergrämen oder umzusiedeln. Ihre Nester sind also zu verlegen. Langfristig sollen die Graureiher in Richtung Ötlinger Halde „umziehen“, an eine unbebaute Fläche zwischen Kirchheim und Ötlingen. Auf die Frage, ob nicht Baumfällarbeiten an der Lindach dazu geführt haben, dass die Graureiher überhaupt erst den Alten Friedhof als „Wohnquartier“ entdeckt haben, sagt Wolf Rühle: „Mit Sicherheit nicht. Da waren keine Niststätten betroffen. Das Fällen hat den Reihern höchstens bessere Jagdbedingungen beschert.“ Andreas Volz