Kirchheim
Renata Alt warnt vor Abhängigkeit von China

Globalisierung Die Kirchheimer FDP-Bundestagsabgeordnete kritisiert im Rückblick Merkels „naive Außenpolitik“.

Kirchheim. Für Renata Alt ist die Außenpolitik das A und O. Das Credo der FDP-Bundestagsabgeordneten aus Kirchheim lautet: „Wer sich nicht rechtzeitig um die Außenpolitik kümmert, den holt sie eines Tages ein.“ „Binnenprobleme“ in Deutschland hängen aus ihrer Sicht „mit falscher und naiver Außenpolitik zusammen“. Als Beispiel nennt sie bei ihrem Sommerpressegespräch die Abhängigkeit von Russland bei den Rohstoffen, in die Deutschland durch die Vorgängerregierung geraten sei.

Derzeit warnt sie vor einer zu großen Abhängigkeit von China: „Unsere Automobilindustrie kümmert sich nur noch um das Luxussegment. China dagegen will in die Kleinwagensparte gehen. Wenn wir da – oder auch bei den Batterien – von China abhängig sind, können die uns irgendwann die Preise diktieren.“ Die Zusammenarbeit mit China ist wichtig, betont sie. „Aber sie darf uns nicht in die Abhängigkeit treiben. Unsere Abhängigkeit von China ist jetzt schon größer, als sie es im Fall Russland jemals war.“

Als Vorsitzende des Bundestagsausschusses für Menschenrechte und humanitäre Hilfe hat Renata Alt klare Vorstellungen: „Wir dürfen die Lage der Menschenrechte in China nicht ignorieren. Dann ist es nämlich irgendwann zu spät um gegenzusteuern.“

Der Zwang zur Zwangsarbeit

Sogar ausländische Unternehmen seien gezwungen, uigurische Zwangsarbeiter einzusetzen. Andernfalls bleibe der chinesische Markt diesen Unternehmen verschlossen. Das betreffe die Automobilindustrie ebenso wie die Textilbranche: „Trotz Lieferkettengesetz findet man auf dem Weltmarkt kaum noch Baumwolle, die nicht wenigstens teilweise unter Zwangsarbeit hergestellt wird.“

Nach Russland seien seit 2014 – inoffiziellen Angeben zufolge – 700 000 ukrainische Kinder deportiert worden. Oftmals würden die Eltern bewusst getötet, um anschließend die Kinder umzusiedeln: „Es geht darum, das ukrainische Volk auszulöschen und zu russifizieren. Wir müssen dieser Menschenrechtsverletzung und diesem Kriegsverbrechen mehr Aufmerksamkeit schenken.“

Harmonisches Zusammenleben unterschiedlicher Völker kennt sie aus Kanada: „Ob die Leute dort ursprünglich aus Asien oder aus Osteuropa stammen, am Canada Day feiern alle gemeinsam – und friedlich.“ Ähnliches würde sie sich für Deutschland wünschen: „Hier muss sich vieles ändern – auch in den Köpfen der Menschen mit Migrationshintergrund.“ Sie verweist in diesem Zusammenhang auf ihren eigenen Migrationshintergrund und auf ihr Eintreten für hiesige Normen und Werte. Wenn das Denken in gewissen Kreisen rein patriarchalisch geprägt sei, müsse man sich über Vorfälle in Freibädern nicht wundern.

Als drängendstes Problem nennt sie den Arbeitskräftemangel: „Wir haben eine Einwanderung in unser Sozialsystem und gleichzeitig eine Auswanderung von Fachkräften. Das muss sich ändern.“ Im globalen Kampf um Arbeitskräfte sieht sie entscheidende Vorteile in Nordamerika: die englische Sprache. Deshalb müssen sich aus ihrer Sicht auch in Deutschland Behördengänge auf Englisch erledigen lassen.

Beim Heizungsgesetz ist Renata Alt froh, dass es nicht durchgepeitscht wurde: „Nicht alle haben 100 000 Euro übrig, um sich eine neue Heizung leisten zu können.“ Wenn eine Heizung repariert werden kann, aber nicht repariert werden darf und ersetzt werden muss, entspreche das nicht ihrem Verständnis von Nachhaltigkeit.

Ein nachhaltiger Haushalt dagegen sehe so aus, „dass der Staat nicht mehr Geld ausgibt, als er einnimmt“. Subventionen aus Zeiten der Pandemie und der Energiekrise müssten jetzt dringend zurückgefahren werden: „Wir brauchen da eine Rückkehr zur Normalität.“

Krach in der Koalition? Kennt Renata Alt nicht: „Beim Verhandeln pflegen wir einen kultivierten Umgang.“ Natürlich versuche jede der drei Parteien, ihre Positionen durchzusetzen. „Aber eine Meinungsverschiedenheit ist noch lange kein Streit – und erst recht kein Skandal.“ Andreas Volz