Ganz unterschiedliche Themen beschäftigen Kirchheim Anfang Dezember 1918: rückkehrende Soldaten, die Revolution und die Rolle der Presse. Das württembergische Landwehr-Feldartillerie-Regiment Nr. 2 bezieht auf dem Marsch nach Ulm am 1. Dezember Quartier in Kirchheim. Am 2. Dezember trifft das Landwehr-Infanterie-Regiment Nr. 122 ein, tags darauf die Nr. 125. Prächtige Empfänge werden den Soldaten bereitet. Kommandeure loben die Disziplin auf dem Rückmarsch. Doch nicht jeder scheint der Ruhe zu trauen: Zu den 125ern sagt Sergeant Rueß, Vorsitzender des Kirchheimer Soldatenrats, ihre Entlassung werde „raschmöglichst in die Wege geleitet“. Er bitte die Kameraden aber, „durch Bewahren der Ruhe und Ordnung das Ihre beizutragen“.
In Ötlingen feiern Einwohner und 122er am 5. Dezember ein Fest im „Rößle“. Mit klingendem Spiel leitet die Musikkapelle des Regiments den Abend ein. Das „Oetlinger Quartett“ revanchiert sich mit trefflichem Gesang. Alle freuen sich am gemütlichen Abend.
Anders sieht es in Jesingen aus: Der Teckbote berichtet von der Familie Karl Bäuerle. In dieser Familie „ist nun auch der dritte und letzte Sohn Wilhelm in einem Lazarett in Hannover [...] infolge Grippe vorige Woche gestorben“.
Für die überlebenden Soldaten druckt der Teckbote amtliche Details zur Entlassung. Außer um die Verpflegung geht es dabei um die Kleidung: Jedem steht „ein vollständiger in brauchbarem Zustand befindlicher Anzug inclusive Mantel, Schuhwerk und Leibwäsche zu. Der Anzug ist bleibendes Eigentum des Entlassenen, er darf jedoch nicht vor 6 Monaten veräußert werden.“
Der Kirchheimer Soldatenrat bleibt weit entfernt von revolutionärem Gehabe. Bei einer Soldatenversammlung betont Sergeant Rueß, „daß bei uns in Württemberg und nicht zuletzt in Kirchheim, der Soldatenrat es für seine Pflicht halte, sowohl den Fanatikern von rechts als denen von der äußersten Linken auf die Finger zu sehen und daß er nichts anderes wolle als der Demokratie zum Durchbruch zu verhelfen und nicht der Gewalt“. Ähnlich aktuell klingen die Beschwörungen, ein Auseinanderbrechen Deutschlands zu verhindern: Heute bezieht sich das auf die EU.
Wer dagegen die Revolution im Dezember 1918 in Kirchheim hochhält, sind die Sozialdemokraten. Sie wehren sich gegen Korruptionsvorwürfe, die Arbeiter- und Soldatenräte diffamieren. Die Gerüchte „seien nur in die Welt gesetzt, um die Revolution zu verdächtigen“. Aber auch die Sozialdemokratie bekennt sich zur Nationalversammlung: „Jeder Zustand müsse unterdrückt werden, der dem Bolschewismus ähnlich sehe.“ Es folgt noch der Vorwurf, dass der Teckbote „fortwährend im Fahrwasser der Alldeutschen segle“. Die Kirchheimer Zeitung sei demnach erzreaktionär.
Gleich in derselben Ausgabe, vom 6. Dezember 1918, nimmt der Teckbote Stellung: „Da wir die einzige Zeitung am Platze sind und unser Leserkreis sich daher aus allen Kreisen der Bevölkerung zusammensetzt, dürfte es doch wohl für jedermann auf der Hand liegen, daß ein eindeutiger Standpunkt unsererseits ganz ausgeschlossen ist.“ Immerhin wird eingeräumt, dass vor der Revolution vieles anders war: „Wenn uns weiter vorgeworfen worden ist, daß wir besonders im Krieg alldeutschen Grundsätzen gehuldigt hätten, so möchten wir doch darauf aufmerksam machen, daß bis zum Waffenstillstand fast der ganze Nachrichtendienst unter Vorzensur gestanden ist und daß schon infolgedessen naturgemäß das Bild einer Zeitung ganz ohne Zutun der Redaktion ein anderes ist als in vielen Fällen von der Leitung einer Zeitung selbst gewünscht wird.“
Klare Aussage: Die Revolution hat der Presse 1918 wieder zu größerer Freiheit verholfen.