Kirchheim
Rund um die Teck läuft „Layla“: Die „Puffmama“ sorgt für Turbulenzen

Skandal Kein anderer Musiktitel in letzter Zeit hat soviel Staub aufgewirbelt wie „Layla“. Was sagen eigentlich Veranstalter und DJs aus Kirchheim und Umgebung dazu? Von Anja Schulenburg

Die Streamingdienste explodieren, der Nummer-Eins-Hit der deutschen und Schweizer Single charts läuft auf sämtlichen Veranstaltungen, erst recht seit der Song in einigen deutschen Städten verboten wurde. Die Rede ist von der jüngsten Kreation von Ballermann-DJ Robin X Schürze, der sich um die „Puffmama Layla“ dreht.

„Was soll ich machen?“, lacht Sedat Aybulut, der das Edison in Kirchheim betreibt:. „Die Menschen wünschen sich den Song und ich spiele ihn
 

Dagegen ist die Spider Murphy Gang
der reinste Kindergeburtstag.
Paul Kestermann hat das ausflippende Publikum
bei „Layla“ in Düsseldorf erlebt.

 

momentan fünfmal am Abend. Da gehen die Hände nach oben und die Leute, egal ob Mann oder Frau, feiern ausgelassen.“ Vom Verbieten hält der Clubchef nichts, da hätte man schon eher Marie von Joachim Deutschland oder Carmen von Sido verbieten müssen, doch „da ist doch auch nichts passiert.“

Auch im übrigen Ländle läuft Layla rauf und runter. Auf sämtlichen Hocketsen und Vereinsfesten wird der Song gespielt und heizt derzeit auch den Besuchern des hiesigen Teckboten-Pokals im Kirchheimer Rübholz ein: „Ich wundere mich, dass man da solche Wellen macht. Es gibt viel schlimmere Deutschrap-Texte, die richtig homophob, rassistisch und sexistisch sind“ sagt DJ-Größe Diable, der am heutigen Freitagabend im Rübholz auflegen wird, „das ist doch alles nur Werbung für den Song!“

Sein Kollege DJ REG, der bereits am Mittwoch in Ötlingen für Stimmung gesorgt hat, sieht das ähnlich: „Für mich ist das unnötige Aufregung um einen Ballermann-Song. Verbote ziehen meiner Meinung nach mehr an, als dass sie abschrecken. Jeder Jugendliche versteht sich doch als Rebell. Diese Tatsache katapultiert die Nummer jetzt so richtig nach oben. Sollten wir nicht eher froh sein, dass wir wieder vereint zu Musik tanzen und singen können, anstatt sie zu verbieten?“

Weindorf-Mitveranstalter und Stadtkino-Betreiber Michael Holz, ein Urgestein der Kirchheimer Event-Szene, bleibt ebenfalls gelassen: „Wenn‘s den Leuten gefällt“, meint er achselzuckend. Über Geschmack lasse sich bekanntlich immer streiten, weiß er und ergänzt: „Da habe ich schon weitaus Schlimmeres gehört. Mein Fall ist das aber trotzdem nicht.“

Also letztlich viel Lärm um nichts? Der erste April ist schon lange vorbei, und trotzdem wurden bereits Hilfsaktionen und Petitionen für den Song gestartet. Eine männliche Version mit „Puffpapa Rainer“, über die sich scheinbar niemand aufregt, existiert ebenfalls und aktuell wurde die „Puffmama“, die im Video von Sänger Patrick gespielt wurde, durch eine kleine Katze ersetzt.

Auf dem Onlineportal Youtube wird darauf hingewiesen, dass das Lied eventuell für einige Nutzer unangemessen sei. – Darunter neun Millionen Aufrufe und tausende von Kommentaren, in denen sogar die Teilnahme am Eurovision Song Contest vorgeschlagen wird.

Paul Kestermann gilt als erfahrener Lebenskünstler und Entertainer. Ehemals hat er die Kirchheimer Kultkneipen Krokodil und Café Klatsch betrieben, mittlerweile lebt er in Düsseldorf. Er hat die Reaktionen auf den Song bei der Düsseldorfer Rheinkirmes und Parookaville, einem der größten Elektro Festivals der Welt, erlebt: „Egal ob Gucci-Tante oder Altstadt-Rowdy, sobald die ersten Töne erklingen, reißen die Menschen wie besessen die Hände hoch und grölen völlig entfesselt mit. Da ist die Spider Murphy Gang der reinste Kindergeburtstag dagegen. Ich konnte es kaum fassen: da stehen auf einem Festival Elektrogrößen wie Arman van Buuren und Felix Jaehn auf der Bühne, plötzlich ertönt Layla und die Leute rasten einfach dazu aus.“

Früher wäre diese Ballermann-Musik dort niemals akzeptiert worden, mutmaßt Kestermann: „Man hat das Gefühl, da findet eine Art Gegenbewegung zu dieser Krisensituation in der Welt statt. Vielleicht brauchen wir diese Art Ventil, dass sich die Menschen in dieser schwierigen Zeit auf diese Weise abreagieren können und sich nicht gegenseitig aufs Maul hauen.“

 

Danke, Layla! – Ein Kommentar zu Hype und Streit um den Partyhit von Irene Strifler

Da wiegeln sie reihenweise ab, die Männer: „Haben wir denn keine anderen Probleme?“ fragen sie gönnerhaft in die Runde angesichts des Verbots des Ballermann-Hits Layla in einigen deutschen Städten. Wer sich dagegen wehrt, dass die Halbwelt mit ihren Bordellen und den katastrophalen „Arbeits“-Bedingungen für Frauen verharmlost wird, gilt als völlig humorfrei und hoffnungslos ewiggestrig.
In Wahrheit sind es nicht die Kritikerinnen, die aus der Zeit gefallen sind, sondern das Lied. Nicht umsonst kommen den Kollegenkreis plötzlich lauter Beispiele für ähnlich geartete Songs in den Sinn. Zum Beispiel Mickie Krause der „zehn nackte Frisösen“ will, die Zipfelbuben mit „Olivia, wenn Deine Mutter wüsste, mit jedem in die Kiste“ – die Liste ach so origineller sexistischer Titel ließe sich beliebig fortsetzen. Wer‘s nicht glauben will, muss nur unter Mallorca-erfahrenen Bekannten rumfragen.
„Das gab‘s schon immer“, winken die Kollegen gelangweilt ab. Stimmt, aber genau das ist der Punkt: Die alten Partyhits sind olle Kamellen, sie haben 20 Jahre auf dem Buckel. Layla dagegen ist brandneu, veröffentlicht 2022, entstanden in einer anderen Zeit, in denen mehr Sensibilität herrscht oder zumindest herrschen sollte.
Deshalb ist es prima, dass über Layla heftig diskutiert wird. Das mit dem Verbieten kann man getrost sein lassen, denn das ist nur kontraproduktiv und beste Werbung. Nein, sinnvoll ist, dass nicht nur im Suff gegrölt wird, sondern allerorten auch diskutiert wird über den inhaltlichen Schwachsinn. Allein dass dies passiert, zeigt, dass sich die Gesellschaft ein kleines bisschen weiterentwickelt hat. Immerhin.
Danke, Layla!