Als Handelspartner spielt Russland für Unternehmen aus Baden-Württemberg eher eine untergeordnete Rolle. Laut IHK wurden aus Baden-Württemberg im vergangenen Jahr Waren im Wert von 3,8 Milliarden Euro nach Russland exportiert, rund 32 Prozent mehr als 2020. Gut 1,1 Milliarden Euro davon beziehen sich auf Waren aus den Bereichen Maschinenbau, Kraftwagen und Kraftwagenteile. Damit belegte Russland den 16. Platz in der Rangfolge der wichtigsten Handelspartner des Landes. Beim Import belegte Russland den 22. Rang. Die Importe im Wert von zwei Milliarden Euro bestehen weitgehend aus Erdöl und Erdgas sowie Metalle und Kohle.
Bauprojekt liegt auf Eis
Im Landkreis Esslingen ist zum Beispiel die Firma Keller Lufttechnik aus Jesingen betroffen. „Wir haben dort Ende letzten Jahres einen Großauftrag für ein multinationales Unternehmen aus der Automobilbranche bekommen, das in Russland ein Bauprojekt hat. Das liegt erst mal auf Eis“, sagt Vertriebsleiter Oliver Haase. Noch im Januar sei man vor Ort gewesen. Von Großprojekten spricht der Hersteller von Absauganlagen ab einer Größenordnung von einer Million Euro. Für die Firma in Russland sollte das Kirchheimer Unternehmen die Absaugung der Fertigungshalle liefern – diese ist nun hinfällig. Welche Gesetze nun greifen, ob es eine Entschädigung gibt, all das ist derzeit noch offen. „Die Lage ist sehr schwammig, zumal auch der Zahlungsverkehr mit Russland momentan brachliegt. Aber so oder so haben wir entschieden, das Russland-Geschäft bis auf Weiteres auszusetzen“, sagt Oliver Haase.
Nicht alle Firmen mit Geschäftsbeziehungen zu Russland wollen sich namentlich äußern. Was häufiger zu erfahren war, sind Lieferprobleme. Auch Fahrer aus Russland mit entsprechenden Lkw-Kennzeichen sind anscheinend Anfeindungen ausgesetzt. Die Bereitschaft für Touren nach Deutschland ist daher eher gering, heißt es.
„Mit großer Bestürzung und Fassungslosigkeit hat Festool die Entwicklung in der Ukraine in den letzten Wochen verfolgt“, heißt es vom hiesigen Hersteller von Elektrowerkzeugen. Das Unternehmen mit Hauptsitz in Wendlingen hat seine Produktionsstandorte in Weilheim, Neidlingen, Illertissen und im tschechischen Ceska Lipa. In Russland unterhalten die Wendlinger keine eigene Produktion und auch keine direkten Lieferanten. „Da jede Form von Gewalt und Aggression mit den Werten und Prinzipien des Unternehmens unvereinbar ist und nicht toleriert wird, hat man sich über die Einhaltung aller internationalen Sanktionen hinaus entschlossen, alle Lieferungen nach Russland und Weißrussland bis auf Weiteres einzustellen“, heißt es von Unternehmensseite. Man beobachte die Entwicklungen sehr aufmerksam, auch inwieweit zukünftige Sanktionen und die Schwierigkeiten von Lieferanten bei der Rohstoff-Beschaffung weitere Auswirkungen haben könnten.
Viele Folgen nicht berücksichtigt
Der Weilheimer Trampolinhersteller Eurotramp hat seit vielen Jahren sehr enge Kontakte zu Partnern, Sportlern, Funktionären und Athleten in der Ukraine, Russland und Belarus. „Wir bedauern zutiefst, dass es in heutiger Zeit zu diesem Krieg gekommen ist. Er bringt Leid, Tod und zerstört die Heimat und die Existenz von vielen Menschen“, teil die Geschäftsführung mit. „Unsere Sorge ist, dass viele derzeit geforderten und menschlich nachvollziehbaren Beschränkungen der Wirtschaftsbeziehungen und auch die damit verbundenen Folgen schwerste Konsequenzen für die Menschen in Europa und weltweit haben werden, die nicht in der Entscheidungsfindung ausreichend berücksichtigt werden“, fügt Maier hinzu.
Sportgeräte von Eurotramp mit einer spezifischen Zolltarifnummer gelten nach der Sanktionsliste der EU als Luxusgüter, die nicht mehr nach Russland oder Belarus ausgeführt werden. Johannes Maier bedauert vor allem den menschlichen Aspekt: „Dies bedeutet für das Unternehmen das vorläufige Ende langjähriger Kontakte und Beziehungen. Aus unserem Wissen gab es zwischen den Sportlern aus allen drei Nationen über viele Jahre sehr enge und vertrauensvolle Kontakte. Dies wird für lange Zeit unmöglich sein.“ Auch sei es sehr bedrückend, wenn menschliche Brücken zerstört werden. Es ist sehr sicher damit zu rechnen, dass viele Wettkämpfe, wie sie in den letzten Jahren in Russland oder auch Belarus und der Ukraine stattgefunden haben, für viele Jahre nicht mehr möglich sein werden. „Wir würden uns wünschen, dass von Politik, Religion, Unternehmen und vielen einzelnen Institutionen Kontakt in alle drei Länder gesucht wird. Unserer Überzeugung nach ist es wichtig, auf der persönlichen Ebene Kontakte zu halten und sich mit Menschen auszutauschen“, heißt es weiter. „Wir hoffen, dass der Sport eine seiner wichtigsten Funktionen erfüllen kann, die friedvolle Begegnung von Menschen zu ermöglichen.“
Info: Aufgrund der aktuellen Situation hat die IHK Region Stuttgart eine Russland-Ukraine-Hotline eingerichtet: 0711/20 05 14 07