Tradition ist ein Begriff, der oft leichtfertig verwendet wird. In der Debatte, die am Kirchheimer Schlossgymnasium vor rund einem Jahr begonnen hat und mit der Abschaffung des Skilandheims endete, ist er häufig gefallen, und das zu Recht. Schließlich fuhren die Siebtklässlerinnen und Siebtklässler des Kirchheimer Gymnasiums im Winter nicht irgendwohin, sondern immer nach Zauchensee in Österreich, bis 2013 zur Familie Walchhofer, deren Sohn einmal Weltmeister war. „Wir sind mit der Familie ganz eng verbunden gewesen. Das war ein bisschen mehr als nur Skifahren“, sagt Hans-Ulrich Lay, stellvertretender Schulleiter am Schlossgymnasium. „Kult“ sei das Skilandheim gewesen, und unter den Sportlehrerinnen und Sportlehrern, die die Skilizenz hatten und die die Jugendlichen selbst unterrichteten, sehr beliebt. Lay erzählt mit hörbarer Begeisterung von einem Schüler aus Afghanistan, der als blutiger Anfänger nach Zauchensee kam und am Ende die roten Pisten runterjagte. Erinnerungen, die bleiben.
Dann kam Corona, und damit verbunden das Ende aller außerunterrichtlicher Aktivitäten. „Das war der erste Cut“, sagt Lay. Als es wieder erlaubt war, wollte das Schlossgymnasium neu buchen – und erhielt ein Angebot, das, so Lay, preislich nicht mehr zu verantworten war. Dazu kamen personelle Engpässe: Die Anzahl der Lehrkräfte, die die Skilizenz hatten, war gesunken. „Es war uns immer wichtig, eigene Skikurse mit qualifiziertem Personal zu geben“, so Lay. Die Siebtklässler durften trotzdem erst mal weiter ins Skilandheim fahren, aber die Debatte war da: Wie viel darf eine solche Ausfahrt kosten? Und wie weit soll man fahren in einer Zeit, in der sich der Planet immer stärker aufheizt?
Ab Oktober 2022 kam das Skilandheim auf den Prüfstand. Im Kollegium wurde kontrovers diskutiert, Schülerinnen und Schüler sowie Eltern wurden befragt. Die Eltern hätten sich richtig reingehängt, eine Umfrage organisiert. „Da war schon die Tendenz, dass die kritischen Stimmen leicht die Überhand hatten“, sagt Lay. Auch im Kollegium habe es eine knappe Mehrheit pro Abschaffung gegeben. Nachdem das Thema durch die Gesamtlehrerkonferenz, in Elternbeiratssitzungen, der Schulkonferenz und auf einem pädagogischen Tag beraten worden war, fiel die Entscheidung, künftig nicht mehr ins Skilandheim zu fahren.
Glücklich sind darüber natürlich nicht alle. Selbstverständlich gebe es im Kollegium und unter den Eltern Menschen, die sich mit der Entscheidung schwertäten. „Es ist immer schwierig, etwas Liebgewordenes aufzugeben, aber man muss es ja nicht als Verzicht sehen. Diese Änderung des Blickwinkels ist auch unser Auftrag als Bildungsanstalt“, sagt Hans-Ulrich Lay. Er selbst sei begeisterter Skilehrer gewesen, doch die Entscheidung sei ihm am Ende nicht schwergefallen. Es habe einfach zu viel dagegengesprochen: knappes Personal, Klimaschutz, und nicht zuletzt die Kosten. „Ein Großteil der Eltern hätte das sicherlich zahlen können. Dennoch war uns als Schule der Betrag zu hoch.“
Im Zuge der Skilandheim-Debatte werden auch alle anderen Fahrten kritisch hinterfragt. Am USA-Austausch will man vorerst festhalten. „Es wäre aber beispielsweise vorstellbar, dass man irgendwann in Zukunft einen Austausch mit England macht“, sagt Lay. Studienfahrten sollen – wenn möglich – mit dem Zug erfolgen. Und die Suche nach einem „neuen Zauchensee“, einem Schullandheim-Ersatz fürs Skilandheim, hat längst begonnen. Verschiedene Alternativen liegen auf dem Tisch. „Wir waren zwei Mal in Südtirol, aber das werden wir künftig nicht mehr machen, weil es zu weit weg ist“, sagt Lay. Ziel sei es, nicht mehr so weit zu fahren, „wenn man es woanders näher haben kann“. Denkbar ist beispielweise ein erlebnispädagogisches Schullandheim im Allgäu für die Achtklässler, mit Wanderungen, Mountainbiken und „Aktivitäten, an denen die Schüler als Gruppe wachsen können“. Klar ist: „Es soll wieder ein dauerhaftes Ziel geben.“ Damit eine neue Tradition entstehen kann.
LUG fährt schon lange nicht mehr ins Skilandheim
Kosten Am zweiten Kirchheimer Gymnasium, dem LUG, gibt es schon seit über 20 Jahren kein Skilandheim mehr. „Skischullandheime haben einen erheblichen ökologischen Fußabdruck“, sagt Schulleiter Martin Roll zur Begründung. Die Infrastruktur, die Pistenpräparierung und der Energieverbrauch in Skigebieten hätten negative Auswirkungen auf die Umwelt, von der Abholzung von Wäldern bis zur Produktion von Schnee mit Schneekanonen und dem Energieverbrauch für den Skibetrieb. „Der Klimawandel hat bereits Auswirkungen auf Skigebiete, da die Schneesaison kürzer wird und Schneemangel ein Problem darstellt“, so Roll. Das Ziel einer nachhaltigen Schulgemeinschaft müsse sein, den ökologischen Fußabdruck zu reduzieren und die natürliche Umwelt zu schützen.
Umwelt Zudem seien Skifahren und der Besuch von Skischullandheimen kostenintensiv und für viele Familien unerschwinglich. „Das führt zu sozialer Ungerechtigkeit, da einkommensschwache Familien und Kinder oft von der Teilnahme an solchen Aktivitäten ausgeschlossen sind“, so Roll. Die Entscheidung, keine Skischullandheime mehr anzubieten, ziele darauf ab, soziale Ungerechtigkeit zu verringern und Kindern aus verschiedenen sozialen Schichten die gleichen Bildungschancen zu bieten.
Alternativen Das LUG habe alternative Bildungsmöglichkeiten in Betracht gezogen, die umweltfreundlicher und sozial inklusiver seien, weniger Ressourcen verbrauchten und einer breiteren Schülergruppe zugänglich sind. „Am Ludwig-Uhland-Gymnasium wurden damals Sprachreisen und Austauschmaßnahmen verstärkt, und diese sind bis heute ein wichtiger Bestandteil unseres schulischen Lebens“, sagt Martin Roll. adö