Kirchheim
Schuhmacher Matthias Ewelt schließt sein Geschäft in Kirchheim

Handwerk Matthias Ewelt ist seit fast 40 Jahren Schuhmacher. Jetzt macht er sein Geschäft in der Kirchheimer Metzgerstraße zu. Die Schuhmacherei in Erkenbrechtsweiler führt er aber noch weiter. Von Henrik Sauer

An dem Geschäft in der Kirchheimer Metzgerstraße weist ein Schild auf das Bevorstehende hin: Ende August macht Schuhmacher Matthias Ewelt dort zu und konzentriert sich fortan ganz auf seine Werkstatt in Erkenbrechtsweiler. Der Grund: Er will etwas kürzertreten.

Die Luft sei ein wenig raus, sagt er: „Ich habe die letzten zwölf Jahre immer nur Gas gegeben.“ Auch an den Wochenenden habe er gearbeitet und sich praktisch keinen Urlaub gegönnt. Er merke, dass ihm die Arbeit gesundheitlich nicht mehr so locker von der Hand gehe, sagt er. Und auch seine Frau Katrin kann ihm aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr so helfen wie bisher.

 

Es ist nur sinnvoll, einen Schuh zu reparieren, wenn er nachher besser ist als vorher.
Matthias Ewelt
Der Schuhmacher sorgt bei Reparaturen gerne für ein Qualitäts-Upgrade.
 

Hinzu kämen die stark gestiegenen Kosten. Der Anteil der Materialkosten habe sich von 15 auf 30 Prozent erhöht: „Material ist so teuer geworden, das ist der Wahnsinn.“ Durch die Aufgabe der Kirchheimer Räume spare er sowohl Geld als auch Zeit. Dafür habe er in Erkenbrechtsweiler ab Mitte September dann jeden Tag geöffnet. Bislang war er jeweils drei Tage hier und dort vor Ort. „Von einigen Kirchheimer Kunden habe ich schon gehört, dass sie auch nach Erkenbrechtsweiler kommen werden“, hofft er, dass ihm die Kunden weiterhin die Treue halten.

 

Matthias Ewelt in seiner Werkstatt in Erkenbrechtsweiler: „Eine Reparatur ist nur sinnvoll, wenn der Schuh danach besser ist als vorher.“ Foto: Henrik Sauer

 

Matthias Ewelt hat das Handwerk von der Pike auf gelernt. Sein Vater war schon Schuhmacher, hatte ein eigenes Geschäft in Braunlage im Harz in Niedersachsen. Dort ist er aufgewachsen. Nach der Lehre in der väterlichen Werkstatt übernahm Matthias Ewelt diese bereits mit 20 Jahren, weil der Vater gesundheitlich nicht mehr konnte. Das war 1986. Dann führte ihn sein Weg nach Süddeutschland, wo seine Schwester bereits in Plochingen lebte. Als Angestellter arbeitete er in Baden-Württemberg unter anderem in der Orthopädieschuhtechnik.

Als er seine heutige Frau Katrin kennenlernte, schlug das Pendel wieder in Richtung Selbstständigkeit aus. Im Keller des Hauses der Schwiegereltern in Erkenbrechtsweiler richtete er sich eine Werkstatt ein. 2010 zog das Paar nach Kirchheim. Ewelt kaufte das Haus in der Metzgerstraße, in dem auch eine kleine Schuhmacherwerkstatt war und brachte diese wieder auf Vordermann. Vier Jahre später zog es das Paar dann wieder auf die vordere Alb. In Erkenbrechtsweiler in der Unteren Straße hat er seitdem seine Werkstatt. Den Kirchheimern blieb er mit einer Annahme- und Abholstelle erhalten. Katrin Ewelt macht die Buchhaltung und hilft mit, wenn es mal mehr als zwei Hände braucht.

Mehr junge Leute kommen

Wohin die Reise in seinem Handwerk geht, sei schwer zu sagen, meint Matthias Ewelt. Auch junge Leute zählten vermehrt zu seiner Klientel, berichtet er: „Sie fangen an, nachhaltiger zu denken, das merke ich deutlich. Die kommen und lassen sich auch beraten.“

Wie lange er selbst noch auf der Alb als einer der wenigen seiner Spezies weitermacht, will er unter anderem davon abhängig machen, wie ihn die Aufgabe des Kirchheimer Geschäfts nun entlaste, so Matthias Ewelt. Er könne sich auch vorstellen, wieder ins Angestelltenverhältnis zu gehen, sagt er. Dort könnte er auch sein Wissen an junge Leute weitergeben, was ihm ebenfalls sehr wichtig ist. „Auch ich lerne immer noch dazu“, beschreibt er, was er an seinem Beruf so liebt: „Es gibt jeden Tag etwas Neues, für das man sich eine Lösung überlegen muss.“

Wer mit Matthias Ewelt spricht, merkt schnell die Leidenschaft, mit der der 57-Jährige seinen Beruf ausübt. Er verwende nur beste Materialien, erzählt er. Und zeigt auf, wo die industriellen Hersteller oft sparten. Ewelt greift den noch wie neu aussehenden Wanderschuh eines renommierten Herstellers aus dem Regal in seiner Werkstatt. Vorne ist die Naht aufgegangen. „Das ist minderwertiges Material“, sagt er. „Da muss ein stabiler Seidenfaden rein.“

Fest steht für ihn: „Es ist nur sinnvoll, einen Schuh zu reparieren, wenn er nachher besser ist als vorher.“ So ist es wahrscheinlich, dass der Kunde von Matthias Ewelt eine qualitativ bessere Sohle für seine Schuhe verpasst bekommt als ursprünglich. „Bei Mittelklasse ist das Fakt“, sagt er und lacht. Dafür halte der Schuh dann auch mehrere Jahre.

Beantworten kann Matthias Ewelt auch eine Frage, die sich vermutlich jeder schon mal gestellthat: Warum quietscht eigentlich ein Schuh? „Weil die Industrie teilweise einen Arbeitsgang weglässt“, sagt der Schuhmacher aus Erkenbrechtsweiler: „Oft wird die Laufsohle direkt auf die Brandsohle, auf der der Fuß liegt, geklebt, statt den Zwischenraum mit Material aufzufüllen“, erklärt er: „Wenn sich dann der Kleber mit der Zeit löst, fängt der Schuh an zu quietschen.“

„Ich bin ein Perfektionist“, sagt Matthias Ewelt über sich: „Wenn ich etwas mache, dann richtig.“ Spürt er, dass jemand an einer Sache hängt, die repariert oder gerichtet werden muss, dann ist er in seinem Element. Das müssen nicht nur Schuhe sein. An diesem Tag arbeitet er an der Ledertasche einer Kundin. „Sie hat die Tasche nach 40 Jahren in einer Schachtel auf der Bühne wiedergefunden“, berichtet er: „Ihr Mann hatte sie ihr einst geschenkt.“ Nun bringt Ewelt sie wieder auf Vordermann. Den Trageriemen macht er komplett neu. Das Leder dafür färbt er, bis es exakt die Farbe der Tasche hat: „Nur dann hat das Ganze Charakter.“

Kunden aus Berlin

Auf seiner Werkbank liegt auch eine abgewetzte Lederjacke. Aus einer Louis-Vuitton-Tasche entfernt er Flecken, die ein Desinfektionsmittel verursacht hat: „Die werden raustätowiert.“ Die Leute bringen immer wieder auch solche Sachen zu ihm. Und dann spiele es auch keine Rolle, was es kostet: „Das ist den meisten Kunden egal, die möchten es nur gerichtet haben“, so Ewelt. Mit seiner Werkstatt hat er sich weithin einen Namen gemacht. Aus dem Schwarzwald, vom Bodensee, der Schweiz und sogar aus Berlin kommen Kunden zu ihm nach Erkenbrechtsweiler, erzählt er.