Kirchheim
Schule muss Farbe bekennen

Unterricht Der „Lehrerpranger“ der AfD stößt auch an Kirchheimer Schulen auf Ablehnung. Jugendliche sollen zu mündigen Bürgern heranwachsen. Von Peter Dietrich

Nur eine einzige positive Seite kann Clemens Großmann, Rektor der Freihof-Realschule und Geschäftsführender Schulleiter der Kirchheimer Schulen, dem in der AfD diskutierten und auch in der Partei umstrittenen Lehrerpranger abgewinnen: „Ich wünsche mir, dass endlich ein Großteil der Bevölkerung erkennt, welches Gedankengut in den Köpfen von AfD-Abgeordneten umhergeistert und zu welch unsäglichen Handlungen dies führt.“ Pädagogen müssten nicht neutral sein, sondern hätten die Pflicht, sich für demokratische Grundwerte einzusetzen. Clemens Großmann stellt sich auch voll hinter den Verband Bildung und Erziehung (VBE): Denunziantentum und Gesinnungstreue, hatte dieser betont, hätten keinen Platz in einer demokratischen Schule. Schüler sollten zu selbstständigen Erwachsenen heranwachsen und wohlüberlegte Entscheidungen treffen können. Dazu gehöre, Kontroversen in der Politik auch kontrovers zu diskutieren, nach den Grundsätzen des Beutelsbacher Konsenses.

Auf diesen Konsens aus dem Jahr 1976 verweist auch Georg Braun, Schulleiter des Ludwig-Uhland-Gymnasiums. „Ich bin mir sicher, dass unsere Lehrer mit großer Verantwortung die Grundsätze des Beutelsbacher Konsenses wahren“, sagt er. „Im Übrigen vertrauen wir auf unsere Dienstaufsicht, die uns vor ungerechtfertigter Denunziation schützt.“ Georg Braun verweist auf die Haltung des Landesschulbeirats: Demnach habe die Lehrkraft eine Korrekturfunktion. Durch sie sollten Schüler Standpunkte kennenlernen, die ihnen zuvor fremd waren. Sie sollten zu mündigen Bürgern werden, die Themen kontrovers diskutieren können und dann selbst Position beziehen.

„Die Kollegen lernen, die Pluralität darzustellen“, sagt Lucia Heffner, Schulleiterin des Schlossgymnasiums. Aber sie sollten im Sinne der freiheitlich-demokratischen Grundordnung und der Menschenrechte erziehen. „Das ist ja nicht wertneutral, das ist nicht beliebig, das ist der Boden, auf dem wir stehen.“ Das gelte in allen Fächern, nicht nur in Geschichte und Gemeinschaftskunde. „Wir wollen Schüler zu Demokraten erziehen.“ Wenn Schüler die Haltung eines Lehrers kennen, provozieren sie ihn auch, so Lucia Heffner. „Die jungen Leute brauchen die Erwachsenen, um sich an ihnen zu reiben.“ Wenn eine Lehrkraft mit Schülern diskutiere, könne sie Parteiprogramme und Grundgesetz gegenüberstellen. Natürlich müsse man über aktuelle Fragen sprechen: „Wie wird Politik heute umgesetzt? Man muss die Schüler ja abholen, wo sie stehen, und sie in die Lage versetzen, selbst Urteile zu fällen.“

Lehrkräfte dürften Gemeinderäte und auch in einer Partei sein. Würde es tatsächlich Klagen über einseitigen Unterricht geben, existiere dafür eine Dienstaufsicht und die Möglichkeit, sich bei der Schulleitung oder dem Regierungspräsidium zu beschweren. Es gebe also einen eingespielten Weg für Disziplinarverfahren. „Aber in zehn Jahren als Schulleiterin und davor als Stellvertreterin habe ich noch nie eine solche Beschwerde gehabt.“ Einen anonymen Pranger brauche es auf keinen Fall. „Das ist an den Haaren herbeigezogen und gehört in den Bereich Cybermobbing.“

Jochen Schade, Schulleiter der gewerblichen Max-Eyth-Schule, vermutet hinter dem Lehrerpranger eine andere Motivation: „Ich bin der Ansicht, dass sich die AfD bemüht, irgendwie in die Schlagzeilen zu kommen. Dafür eignet sich Lehrerschelte sehr gut. Vor allem bei Leuten, die derzeit keine eigenen Kinder in der Schule haben. Das ist etwas für den Stammtisch.“ Doch er ist gelassen: „Ich weiß, dass unsere Kollegen sehr sensibel mit politischen Aussagen umgehen. Ich habe da großes Vertrauen. Ich warte deshalb ab, ich möchte das weitgehend ignorieren.“