Was braucht die Schule von morgen? Carolin Taut, die ehemalige Schülersprecherin des LUG in Kirchheim, findet treffende Worte: „Ich habe noch nie eine Steuererklärung gemacht und sehe jetzt, wie mein Bruder daran verzweifelt.“ Der Wunsch nach einer praktischen Vorbereitung auf das „Leben danach“ ist groß. „Wir werden nur auf den Abschluss vorbereitet und alles, was dann kommt, ist noch ganz weit weg.“ Auch der Schülersprecher der Freihof-Realschule, Leo Riemer, schließt sich dem an: „Wir lernen zur Genüge, wie man eine Erörterung schreibt – es sollen aber zwei Stunden reichen, um zu lernen, wie eine gute Bewerbung aussieht.“
Die Veranstaltung mit Kultusministerin Theresa Schopper soll dazu dienen, Diskussionen anzustoßen, künftige Herausforderungen zu benennen und Lösungsansätze zu finden. Die Ansprache von Carolin Taut findet viel Anklang, alle scheinen sich einig zu sein: Die Lehrpläne müssen verschlankt – hier gilt „weniger Inhalt, mehr Tiefe“ –, der Verwaltungsaufwand soll minimiert und die Bildungsqualität verbessert werden.
Grundschulen stehen im Fokus
Für die Kultusministerin sind die Grundschulen ein ganz elementarer Punkt. „Mein Credo lautet: Auf den Anfang kommt es an. Wir haben sehr viele Kinder mit Migrationshintergrund, und sie sollen nicht von Anfang an nur die Rücklichter der anderen sehen.“ Daher seien ihr bereits Sprachförderprogramme an Kitas ein großes Anliegen. Die Arbeit an den Schulen solle durch pädagogische Hilfskräfte und Psychologen unterstützt werden. Dass auch hierfür die nötigen Räumlichkeiten gegeben sein müssen, weiß sie, an Lösungen werde gearbeitet.
Ganztagsunterricht umsetzen
Für viel Gesprächsstoff hat das Ganztagsangebot an Grundschulen gesorgt, wonach eine Acht-Stunden-Betreuung fünf Tage die Woche gewährleistet sein muss. Ab dem Schuljahr 2026/2027 wird der Rechtsanspruch stufenweise – beginnend in der Klassenstufe eins – eingeführt. Der Schulleiter der Freihof-Realschule, Marlon Lamour, findet das nicht nachvollziehbar. „Wir haben zurzeit größere Probleme, wir müssen viele Flüchtlinge unterbringen, haben zu wenige Lehrkräfte und müssen uns auch noch mit G 9 beschäftigen, da muss das doch aufgeschoben werden.“
„Wir können ein Bundesgesetz nicht einfach aufschieben“, wirbt Andreas Schwarz für Verständnis. „Allerdings stimmt es, dass derzeit das Geld und das Personal fehlt, um das Bundesgesetz auf Landesebene durchzusetzen, da müssen wir sicher noch mal ins Gespräch gehen“, sagt Schwarz. Wenn schon Ganztag, dann ein wenig flexibler, wünscht sich Aline Theodoridis. „Für Erstklässler ist ein ganzer Tag Schule ziemlich viel.“ Kultusministerin Theresa Schopper hält dagegen: „Es braucht eine gewisse Planungssicherheit, da kann man nicht sagen: Heute komme ich – morgen nicht.“ Außerdem müssten die Kinder nicht nur lernen. Der Tag sei mit AGs, Projekten, Kunst, Sport und Musik durchzogen.
Weniger Bürokratie soll es geben
„Wir haben schon sehr viel zu tun, da verstehe ich nicht, warum wir uns jetzt auch noch mit der Versteuerung des Kuchenverkaufs an der Schule auseinandersetzen müssen. Ich habe eine 30-seitige Anleitung bekommen, wie das in Zukunft umzusetzen ist“, sagt Marlon Lamour fassungslos. „Dabei handelt es sich um eine EU-Richtlinie, die wir auch nicht praktikabel finden“, sagt Schopper. Eine Bagatellgrenze von rund 15 000 Euro fände sie sinnvoll. „Wir arbeiten daran, dass Sie diese 30 Seiten in die Tonne treten können“, sagt Theresa Schopper.
Info Auf Einladung der beiden Landtagsabgeordneten Dr. Natalie Pfau-Weller und Andreas Schwarz nahm die Kultusministerin Theresa Schopper an dem Dialog zum Thema „Was braucht die Schule von morgen“ in der Mensa der Freihof-Realschule in Kirchheim teil. Weitere Akteure waren Oberbürgermeister Dr. Pascal Bader, Schulleiter Marlon Lamour, die Sprecherinnen des Gesamtelternbeirats Stefanie Rau und Aline Theodoridis sowie die Schülervertreter Carolin Taut und Leo Riemer.