Kirchheim
Seiner Zeit voraus

Musik Als 13-Jähriger spielt er Orgel in seiner Gemeinde, noch als Student wird er Kantor der Katholischen Gesamtkirchengemeinde. Nun ist Thomas Specker zum Kirchenmusikdirektor ernannt worden. Von Peter Dietrich

Thomas Specker, Jahrgang 1963, wuchs in Mahlstetten auf. Das Dorf war klein, fast alle Seelen waren katholisch, es gab einen Musikverein. Dort spielte der Vater Klarinette. Schräg gegenüber wohnte die Tante, die sehr musikalisch war. „Hast du Lust, bei mir Klavier zu lernen?“, fragte sie den Siebenjährigen und lockte mit zehn Mark, wenn er fünf Lieder zu Weihnachten spiele. „Das war ihr Hobby, aber sie war pädagogisch gut drauf“, erinnert sich Thomas Specker, der jeden Tag für eine Stunde zu ihr zum Üben ging.

Das erste Klavier im eigenen Haus erwies sich schnell als untauglich, da half der zweite Nachbar, ein Klavierbauer. Er besorgte ein gebrauchtes Instrument, für die Eltern eine große Investition. Der Junge lernte gut, die Tante empfahl die Lehrersuche. „Sie hat das gesagt, bevor ich es gemerkt habe.“

Auch heute empfiehlt Thomas Specker, wenn er Grenzen bei der Förderung eines Schülers sieht, manchmal einen anderen Lehrer - ohne Erfolg: Bisher habe noch nie einer weg gewollt. Damals gab es eine gute Lösung: Bei Sauter Piano in Spaichingen, wo auch der Klavierbauer arbeitete, war ein renommierter Musiklehrer angestellt. Er hatte das Ziel, seinen neuen Schüler auf ein Klavierstudium vorzubereiten.

Nach dem plötzlichen Tod ihres Organisten fragte die katholische Kirchengemeinde kurz vor der Erstkommunion den 13-Jährigen, ob er Orgel spielen könne. Er übte die Sätze am Klavier. „Nur mit den Händen zu spielen, statt mit Händen und Füßen, das ist noch schwerer.“ Das mit den Füßen lag nicht nur am Lernen, sondern auch an der Anatomie. Die Beinlänge eines 13-jährigen war beim Orgelspiel grenzwertig. Das Provisorium wurde schnell zur Dauerlösung, und so fand sich Thomas Specker in Tuttlingen beim hauptberuflichen Orgellehrer wieder. Bis er 23 Jahre alt war, hatte er Orgel- und Klavierunterricht. „Klavier ist die beste Vorbereitung für die Orgel“, sagt er. Aber beides sei von der Spielweise verschieden: „Wenn ich viel Orgel übe, leidet das Klavierspiel und umgekehrt.“

Folgte nun das Klavierstudium? Nein, es kam anders als ge­plant. Eine Klassenkameradin nahm ihn mit zur Aufnahmeprüfung bei der Hochschule für Kirchenmusik in Rottenburg. Er bestand, die Kameradin nicht. „Sie ist heute trotzdem Opernsängerin und Kirchenmusikerin“, sagt er. Seine Abschlussprüfung als nebenamtlicher Kirchenmusiker galt zugleich als Aufnahmeprüfung für das Studium für den hauptamtlichen Dienst. Er bekam einen der begehrten Plätze. „Es gibt kein Musikstudium, das so eine Breite hat wie die Kirchenmusik: Orgelliteraturspiel, Orgelimprovisation, Klavier, Gesang, Stimmbildung und Chorleitung, dazu die theoretischen Fächer.“ Beim verpflichtenden Melodieinstrument entschied er sich für die Querflöte, dann für das Cello.

Seine Bewerbung auf die Stelle als Kantor in Kirchheim, zusammen mit zwei Kommilitoninnen, war noch gar nicht zwingend, er war ja noch im Studium. Doch dann kam der Anruf in die Telefonzelle des Wohnheims: Kirchheim wollte ihn. „Ich brauche zwei Wochen Bedenkzeit“, sagte Specker. Sie gaben ihm zwei Tage. Er solle schon nach Ostern anfangen. Der Kompromiss: Noch während des Studiums begann er mit der Chorarbeit, die volle Anstellung folgte im August 1987. Ein halbes Jahr später wurde er auch Dekanatskirchenmusiker, seither begleitet und schult er im Altkreis Nürtingen Chorleiter und Organisten.

Die Kirchheimer Stelle war neu, er musste seine Aufgaben selbst entwickeln. Kirchenmusikdirektor Ernst Leuze, an der evangelischen Martinskirche tätig, wurde ihm schnell eine wertvoller Kollege. Er beriet ihn, half ihm beim Berufseinstieg und wurde ein väterlicher Freund.

1988 gründete Thomas Specker den Kinderchor, aus dem der Jugendchor erwuchs. Er arbeitet mit dem Kindergarten Sankt Gabriel zusammen und mit Kindern und Jugendlichen von drei bis 19 Jahren. Den Kirchenchor übernahm er gut bestellt und machte mit ihm große Aufführungen, es erklangen Händels Messias und Haydns Harmoniemesse. Die Behauptung, Chormusik sei nicht systemrelevant, kontert er gerne mit den Worten einer Sängerin: „Aber sie ist seelenrelevant.“ „Das Erfüllendste ist für mich, wenn Musik an dem Platz musiziert wird, für den sie gedacht war“, sagt er, „nämlich im Gottesdienst und als Teil der Liturgie.“

Thomas Specker freut sich sehr über die überraschende Ernennung zum Kirchenmusikdirektor, von den Vorbereitungen hatte er gar nichts mitbekommen. Und ihn freut sein Beruf: „Mir wird es keinen Tag langweilig.“