Konzertlesung
Sich selbst treu bis in den Tod

Cato Bontjes van Beek wurde 1943 mit 22 Jahren in Berlin hingerichtet. Bei einer Konzertlesung in der Kirchheimer Martinskirche lernte man die Geschichte einer starken jungen Frau kennen. 

Bei der Konzertlesung mit Schauspielerin Julia Jentsch ging es um die beeindruckende Persönlichkeit der Widerstandskämpferin Cato Bontjes van Beek.  Foto: Carsten Riedl

Am 5. August 1943 stirbt Cato Bontjes van Beek an einem wunderbaren Sommertag, ganz so, wie sie ihn liebte. Der Himmel war blau mit nur wenigen Wolken.“ Es ist 21 Uhr, als Sprecher Lorenz Meyboden diese Zeilen vorträgt. In der vollbesetzten Martinskirche ist es ganz still, nur die Kirchenglocken läuten. Zuvor hat das Publikum die Geschichte der jungen Frau und ihre beeindruckende Persönlichkeit kennengelernt. Von ihrer unbeschwerten Kindheit und Jugend in ihrem Heimatort Fischerhude bei Bremen erfahren. Vom fröhlichen, neugierigen und den Menschen zugewandten Mädchen und der jungen Frau, die im Herbst 1937 nach Berlin ging, um beim dort lebenden Vater eine Lehre zu beginnen. Sie sollte nicht wieder nach Hause zurückkehren.

Es sind besonders die Zeilen aus Catos Briefen an die Familie, an ihre Mutter und die beiden Geschwister, die den Zuhörerinnen und Zuhörern das Bild einer angesichts ihres Schicksals unglaublich starken und bis zuletzt lebensbejahenden, in sich ruhenden jungen Frau zeichnen. Es sind Zeilen, die zeitweise zum Lachen animieren und im nächsten Moment tief betroffen machen. Schauspielerin Julia Jentsch, die für ihre Darstellung der Sophie Scholl vielfach ausgezeichnet wurde, schlüpfte an diesem Konzertabend in die Rolle der im Vergleich weniger bekannten Cato Bontjes van Beek. Die zur mutigen Widerstandskämpferin im Berlin der 1940er-Jahre wurde und dafür wie weitere Mitglieder der Gruppe „Rote Kapelle“ am 18. Januar 1943 zum Tod durch das Fallbeil verurteilt wurde. 

Hommage zum 100. Geburtstag

„Heute, am 14. November, wäre Cato 104 Jahre alt geworden“, erinnert Initiator Willi Kamphausen zu Beginn der Veranstaltung, die von der Evangelischen Gesamtkirchengemeinde Kirchheim und vom Förderverein musica innova organisiert worden war. Zu ihrem 100. Geburtstag hatte Helge Burggrabe die Musik-Text-Collage „Cato“ als, so Kamphausen, „poetisch aufrüttelnde Hommage“ für die bis dato noch unbekanntere Widerstandskämpferin entwickelt. Mitten in der Corona-Pandemie wurde daraus zunächst ein Konzertfilm. „Ich wollte Cato mehr in den Fokus rücken. Ihre tief empfundene Menschlichkeit ist in heutiger Zeit wieder besonders spannend“, sagt Regisseur Helge Burggrabe. Eben diese, sowie Catos Mut und ihre Lebensfreude machen sie laut Willi Kamphausen zu einem „zeitlosen Vorbild.“

In die Rollen von Catos Bruder Tim, ihrem Freund und Partner aus der Widerstandsgruppe Heinz Strelow und den mit Cato im Gefängnis sitzenden Jugendlichen Rainer Küchenmeister schlüpfte Christoph Jöde. Musikalisch begleitete das sechsköpfige Vokalensemble Sjaella den Abend und füllte den Kirchenraum mit starken, harmonierenden Stimmen. Es sind Stücke, die für die Musik und Literatur liebende Cato eine besondere Bedeutung hatten, von klassischen Werken wie der Matthäus-Passion von Johann Sebastian Bach bis hin zu Schlagern. Manche der Titel sind durch Helge Burggrabe vertonte Texte, die ihr Leben begleiteten. Darunter etwa ein Auszug aus einem Gedicht, das ihre Naturverbundenheit verdeutlicht. Oder auch nachdrückliche Zitate aus ihren Briefen wie „Leben will ich, leben, leben“ und „Ihr redet alle – doch keiner tut etwas!“, verfasst während Catos fast zehnmonatiger Haft vor ihrer Hinrichtung. Ebenso erklingen aber auch schwungvolle und fröhliche Stücke wie „Bei mir bist du schön“ aus einem jiddischen Musical des Jahres 1932. 

An das Gute geglaubt

Es ist die Geschichte einer aufgeweckten jungen Frau, die bereits als Kind und Jugendliche nach Amsterdam und England reist, die eine begeisterte Fliegerin war und sich in ihren Vor-Kriegsjahren in Berlin einen Traum erfüllte und eine Segelflug-Ausbildung absolvierte. Einer jungen Frau, die das Leben in all seinen Facetten lebte und die sich bis zu ihrem gewaltsamen Tod unbeirrbar und ihren Idealen treu bleibend für einen gewaltlosen Kampf gegen Unterdrückung und Unfreiheit stark machte. Die bis zuletzt an das Gute in den Menschen glaubte: „Die Liebe ist das Höchste und Schönste, das der Mensch besitzt“, schreibt Cato in einem ihrer Briefe nach der Urteilsverkündung. Alle Gnadengesuche für die junge Frau blieben erfolglos. „Am 5. August 1943 werden ab 19 Uhr im Drei-Minuten-Takt 16 Frauen und Männer durch das Fallbeil ermordet. Cato Bontjes van Beek war die 15. Aufrecht und ohne Zögern geht sie in den Tod“, erfährt das Publikum von Lorenz Meyboden. Ihr Freund Heinz Strelow wurde bereits am 13. Mai 1943 hingerichtet. 

Als abschließende Liedzeile erklingt aus dem vertonten Text „I am the daughter“ von Percy B. Shelly: „I change but I can not die.“ Minutenlang bleibt es still in der Martinskirche, bevor nicht enden wollende stehende Ovationen einsetzen. „So etwas kommt nie wieder. Ich bin froh, dass ich heute Abend hergekommen bin“, sagt eine Besucherin tief berührt.