Froh zu sein bedarf es wenig und wer froh ist, ist ein König“. Per Definition ist ein Kanon, ein Musikstück, bei dem verschiedene Stimmen in bestimmten Abständen nacheinander mit derselben Melodie einsetzten. Bei diesem Stück aus dem 19. Jahrhundert scheint auch der Text für die rund 30 Sängerinnen und Sänger das Motto des „offenen Singens“ auf dem Martinskirchplatz zu sein. Hochmotiviert und konzentriert gehen sie die Sache an.
Singen mache nicht nur glücklich und zufrieden, finden sie, sondern stärke auch das Immunsystem und befreie von Ängsten, was Neurowissenschaftler herausgefunden hätten, ergänzt Bezirkskantor Ralf Sach. Nach dem Abendläuten versammeln sie sich donnerstags in lockerer Runde zum Volkslieder- und Kanon Singen. Der Schwerpunkt liegt auf den Volksliedern, Kanons ergänzten ihr Repertoire.
Unter der sachkundigen Anleitung von Bezirkskantor Ralf Sach geht es musikalisch mit Volks- und Jagdliedern in den Wald. „Im Wald und auf die Heide, da such ich meine Freude, ich bin ein Jägersmann“. Ralf Sach begleitet am Keyboard und ermutigt die Wiederholungen leiser oder lauter als Echo anzulegen.
Melodien variieren teilweise
Da nur Liedtexte ausgeteilt werden, variieren die Melodien manchmal, was der Freude keinen Abbruch tut und nach mehrmaligem Proben einigt man sich auf eine Variante. Mit dem Liedwunsch „Ein Jäger längs dem Weiher ging“ aus den Reihen der Sangesfreudigen sehen sie sich endgültig im Wald angekommen und erörtern, ob der Jäger eine Berufsbezeichnung sei und dass es heute wohl Diplom-Forstwirt heißen müsse, was allerdings etwas sperrig zu singen sei. Ergo wendet man sich lieber den hübschen Mädchen zu. Sie fahren fort mit „All mein Gedanken, die ich hab“, von Johannes Brahms, „Ännchen von Tharau“, ein „großer Hit aus der Volksliedergeschichte“, wie Ralf Sach erklärt, und „Erlaube mir, feins Mädchen“ ebenfalls von Brahms. Letzteres gehörte zu den „Erzählliedern“, wie „ein Vogel wollte Hochzeit machen“, bei denen durchaus erwünscht sei, spontan Strophen dazu zu dichten.
Vielleicht wäre das eine nette Hausaufgabe bis zum nächsten Mal, konnte man sich im Rund vorstellen. Nach den Lockdowns entstand die Idee im Freien zu singen. Viele kamen damals zum „offenen Singen“ und die Lieder entsprachen der Gemütslage der Menschen, erinnert sich Sach. „Die Gedanken sind frei“, „Wenn ich ein Vöglein wär“ waren die Renner. Die Orte variierten wegen der Corona Regeln, je nach Anzahl der Teilnehmerinnen und Teilnehmer.
Auch im Marstallgarten und auf dem Rollschuhplatz wurde gesungen. Mit dem dreistimmigen Kanon „Dona nobis pacem- gib uns Frieden“ endete damals jedes Singen und so ist es bis heute geblieben. Gerade auch, weil nach der Corona Zeit durch den Ausbruch des Krieges in der Ukraine eine weiterer trauriger Anlass dazu gekommen ist.
Info Das „offene Singen“ findet donnerstags bis zu Beginn der Sommerferien um 19 Uhr auf dem Martinskirchplatz statt. Es gibt Überlegungen das Format mit Weihnachtsliedern auf dem Weihnachtsmarkt anzubieten. Übers Jahr gibt es an der Martinskirche Projektangebote mit Musik, die meditativen und spirituellen Charakter haben. Ralf Sach leitet den Kammerchor, singt wöchentlich mit den „Konfi-Eltern“, die ursprünglich nur Stücke zur Konfirmation ihrer Kinder einüben wollten und dabei geblieben sind und gibt Gesangsunterricht.
Der „Tag des Kanons“ und andere Kuriositäten
Der 1. August ist der Tag des Kanons. Die Idee des „Rounds Resounding Day“ stammt aus den USA und geht auf das Jahr 1987 zurück. Gloria T. Delamar rief die Rounds Resounding Society ins Leben. Der US-amerikanische Begriff bezieht sich auf das kontrapunktische Fortlaufen beziehungsweise die Imitation der Stimmen und wurde seit dem frühen 19. Jahrhundert durch die sogenannten Catch Clubs in Großbritannien und den USA tradiert.
Gloria T. Delamar verweist auf ihrer Website, dass sie von 1969 bis 1975 in der Catch Society of America aktiv gewesen sei und dies die Inspiration zur Gründung der Rounds Resounding Society im Jahr 1986 gewesen sei. Tatsächlich fallen einige kuriose Feste auf den 1. August. Namentlich der Internationale Tag der Kinderlosen (International Childfree Day), der US-amerikanische Freundinnen-Tag (National Girlfriends Day), der Spider-Man-Tag oder der Weltmittelfinger-Tag (World Middle Finger Day). Darüber hinaus gibt es musikalisch verwandte Feiertage zum Thema Stimme und Gesang. Der 8. Februar ist beispielsweise der Tag der Oper (Opera Day), am 16. April wird der internationale Tag der Stimme begangen (World Voice Day), am 8. Februar feiert man den internationalen Tag der Oper (International Opera Day) und am 22. November wird der Tag der Hausmusik ausgerufen. his
Nachgefragt:
Was motiviert sie zum Singen?