Angesichts hoher Corona-Zahlen ist die Nachfrage nach Grippe-Impfstoff ungebrochen. Offenbar zeigt der Aufruf der Politik, sich immunisieren zu lassen, nachhaltige Wirkung. Zum Leidwesen vieler Kunden kommt es häufig zu Engpässen, weil der im Frühjahr bestellte Vorrat verbraucht ist, Nachlieferungen jedoch oft auf sich warten lassen. Pneumokokken-Impfstoff, der gegen schwere Lungenentzündungen schützen soll, ist derzeit gar nicht verfügbar.
„Es ist einfach eine Katastrophe“, sagt Gabriele Schütte von der „Schneider-Apotheke Mache“ in Kirchheim, einer von vier Apotheken, die der Teckbote exemplarisch befragt hat. „Man kriegt schon einen dicken Hals, wenn Herr Spahn sagt, dass es genügend Impfstoffe gibt.“ Gesundheitsminister Jens Spahn ist in den vergangenen Wochen nicht müde geworden, zu betonen, dass die 26 Millionen Influenza-Impfdosen, die in Deutschland zur Verfügung stehen, ausreichten. In den Apotheken sieht die Realität jedoch anders aus. „Wir bestellen laufend nach, aber es kommt nichts“, sagt Gabriele Schütte resigniert. Auf ihrer Warteliste stehen derzeit rund 20 Kunden. Viele seien verständnisvoll, andere würden ausfällig. „Die Leute sind es gewöhnt, dass man alles, was fehlt, innerhalb von zwei Stunden nachbestellen kann. Dass das beim Grippeimpfstoff anders ist, können viele nicht verstehen.“
Auch in Dettingen gibt es eine Warteliste, mit rund 40 Namen. „Anfangs haben wir bei Apotheken rumtelefoniert und konnten für Kunden noch etwas beschaffen“, sagt Birgit Lehmler, Inhaberin der Hirsch-Apotheke. „Mittlerweile hat aber keiner mehr was.“ Die Großhändler warteten selbst auf ihre Lieferungen, zuverlässige Aussagen, wann der Impfstoff geliefert werde, gebe es nicht. „Wir haben nun immerhin die Nachricht bekommen, dass wir demnächst wieder Einzeldosen bekommen“, sagt Birgit Lehmler vorsichtig und ergänzt: „So dramatisch war es noch nie.“
Andreas Herbster, Inhaber der Apotheke Lenningen, ist hörbar verärgert über den Gesundheitsminister. „Zu dem Zeitpunkt, als Herr Spahn mit hochgerolltem Ärmel dasaß und sich hat impfen lassen, gab es schon gar nichts mehr“, sagt er. Die Nachfrage sei wahnsinnig hoch in diesem Jahr, auf seiner Warteliste stünden rund 60 Personen. Die reguläre Menge, die Herbster wie alle anderen Apotheker zu Beginn des Jahres ordern musste, sei innerhalb von zwei bis drei Wochen verbraucht gewesen. In seiner Apotheke habe sich die Situation mittlerweile etwas entspannt. „Für die Arztpraxen sind 10er-Packs eines amerikanischen Impfstoffs geliefert worden“, sagt Herbster. Zudem erwarte er Einzeldosen eines weiteren Impfstoffs (siehe Info).
Anders ist die Situation in Weilheim. „Wir hatten nie einen Engpass, weil ich im Frühjahr die drei- bis vierfache Menge bestellt habe“, sagt Dr. Hansjörg Egerer, Inhaber der dortigen Adler-Apotheke. „Deshalb konnten wir die Nachfrage decken.“ Dass in Weilheim Impfstoff vorhanden sei, habe sich schnell herumgesprochen, „von hinter Göppingen“ seien Kunden zu ihm gekommen. Bis letzte Woche habe die bestellte Menge gereicht, nun treffe nach und nach das ein, was er beim Großhandel nachgeordert habe. „Wir wissen nicht, ob wir die gesamte Menge bekommen. Das wird unter den Apotheken, die sich gemeldet haben, aufgeteilt“, sagt Egerer. „Dass es jetzt nicht doch Engpässe gibt, kann ich nicht ausschließen.“