Kirchheim
Sonntag ist nicht gleich Sonntag

Beruf Sieben Politikerinnen und Politiker aus dem Landkreis Esslingen kämpfen seit etwa einem Jahr für familienfreundlichere Arbeitszeiten. Doch was ist aus dem Vorhaben geworden? Von Heike Siegemund

Mehr Familienfreundlichkeit statt lange Termine, Besprechungen und Sitzungen am Wochenende: Vor etwa einem Jahr haben sich sieben Abgeordnete aus dem Landkreis Esslingen aufgemacht, um den arbeitsfreien Sonntag in der Politik in die Tat umzusetzen. Wie berichtet, sind neben den drei Kirchheimer Wahlkreisvertretern Andreas Schwarz von den Grünen, Natalie Pfau-Weller von der CDU und Andreas Kenner von der SPD auch die Grünen-Staatssekretärin Andrea Lindlohr, SPD-Fraktionsvize Nicolas Fink, der CDU-Abgeordnete Andreas Deuschle und Dennis Birnstock von der FDP mit von der Partie. Was ist aus dem Vorhaben geworden? Klappt’s mit dem arbeitsfreien Sonntag?

„In diesem Jahr war ich noch an keinem einzigen Sonntag daheim“, gesteht Andreas Kenner. Vor allem die zahlreichen Neujahrsempfänge hätten dem Plan, sonntags einen leeren Terminkalender zu haben und mehr Zeit mit der Familie und den Enkelkindern zu verbringen, einen Strich durch die Rechnung gemacht. Dabei sei die Idee, die hinter der Initiative steckt, richtig, betont Kenner. „In Schweden gibt es ein 40-Stunden-Parlament. Ich habe nie unter 60 Stunden in der Woche.“ Hinzu komme seine Tätigkeit als Kirchheimer Stadtrat: Auch bei den Gemeinderatssitzungen „kommen wir nie vor 23 Uhr raus“.

 

„In Schweden gibt es ein 40-Stunden-Parlament. Ich habe nie unter 60 Stunden in der Woche.
Andreas Kenner
 

„Alle reden von Work-Life-Balance und davon, dass unser Parlament zu alt sei und es zu wenige junge Frauen mit Kindern gebe“, sagt Kenner mit Blick auf den Landtag. Doch wenn man die Arbeitszeiten anschaue, müsse man sich darüber nicht wundern. Er wolle nicht klagen, fügt Kenner hinzu. Viele Termine, die er am Wochenende besucht, seien schön und „ich würde sie nicht unbedingt als Arbeit bezeichnen – aber man muss das Thema trotzdem in die Öffentlichkeit bringen“. Die Initiative sei keineswegs gescheitert und man werde dranbleiben, verdeutlicht Kenner. Ein wichtiger Aspekt sei auch, dass man damit viele Menschen zum Nachdenken gebracht habe.

Das bestätigt Andreas Schwarz: Man wolle mit der Aktion auch für mehr Verständnis werben. Denn Politik sei ein Dauerlauf mit nur wenigen Pausen und oft mit einer Siebentagewoche verbunden. Deshalb werde es immer schwieriger, junge Leute mit Familie und Kindern für die Politik zu begeistern und für das kommunale Ehrenamt im Gemeinderat oder Kreistag und auch für das Amt des Bürgermeisters zu motivieren. Ziel der Initiative sei, das politische Engagement für die Breite der Bevölkerung attraktiver zu machen.

Arbeitstag von 7 bis 22 Uhr

Die Arbeitstage von Andreas Schwarz beginnen in der Regel um 7 und enden um 22 Uhr. „Ich beschwere mich überhaupt nicht. Dass man dieses Arbeitspensum hat, ist bei diesem Job so.“ Trotzdem versucht er, Zeit für die Familie zu reservieren: Heilig ist ihm vor allem das gemeinsame Frühstück, das jeden Tag eingehalten werde. Dafür backt Schwarz sogar selbst Brötchen, Brot oder Hefezopf.

Generell sei er unter der Woche lieber „die frühe Eule“, die um 7.30 Uhr schon in einer Arbeitsbesprechung oder Videokonferenz sitzt. Dann sei es auch „legitim zu sagen: Ich mache sonntags keine Routinebesprechungen. Der Sonntag ist für die Family reserviert“, betont der Vater eines Kindes. So könne man die Rahmenbedingungen ein klein wenig verbessern. Zwar könne er den arbeitsfreien Sonntag „nicht hart durchhalten“. Denn manche Termine müsse er einfach besuchen, wobei der Januar mit den Neujahrsempfängen „nicht repräsentativ“ gewesen sei. Und natürlich drücke er den Ministerpräsidenten auch nicht weg, wenn er sonntags anrufe. Doch Schwarz betont: „Auf die Family-Time möchte ich am Sonntag nicht verzichten“. Dafür erhalte er auch große Akzeptanz. Sein Fazit: die Initiative habe sich gut entwickelt. Man habe damit auch zu einer Sensibilisierung beigetragen.

„Ich wünsche mir, dass mehr junge Mütter und Väter im Parlament vertreten sind“, betont auch Natalie Pfau-Weller. Deshalb sei die bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf in der Politik überaus wichtig. Die 35-jährige Mutter einer vier Jahre alten Tochter versucht, einen Tag am Wochenende für ihre Familie frei zu halten. „Das ist manchmal schwierig“, räumt sie ein und konstatiert: „Ein oder zwei Mal im Monat klappt es nicht“. Doch generell müsse es erlaubt sein, dieses Thema offen und ehrlich anzusprechen. Sie habe viele positive Reaktionen erhalten; kritisch seien nur politische Mitbewerber und manche ältere Menschen gewesen.

Wickeltische fehlen

Positiv findet Natalie Pfau-Weller auch, dass es inzwischen einen Still- und Wickelraum im Haus des Landtags gebe. Im Haus der Abgeordneten allerdings sei bisher keine Wickelmöglichkeit geschaffen worden. Auf CDU-Ebene wolle man dieses Thema nun angehen. Im Übrigen suche man auch im Kirchheimer Rathaus und in der Stadthalle vergebens nach einem Wickeltisch. „Deshalb habe ich im Gemeinderat einen Vorstoß dazu gemacht.“ Hinzu komme, dass man auch über einen familienfreundlicheren Sitzungsbeginn nachdenken könne.

Insgesamt müsse man in der Politik jungen Müttern mehr entgegenkommen – alles andere sei nicht mehr zeitgemäß. „Sonst sitzen nur noch Männer im Parlament“.