Kirchheim. „Spaziergänge durch die Stadt“ kommen jetzt in Mode. Dabei handelt es sich aber nicht um Flaneure, die einen Schaufensterbummel machen, sondern um Teiln ehmer einer Art von Kundgebung gegen die Corona-Politik. „De facto ist das eine nicht genehmigte Versammlung“, sagte Kirchheims Oberbürgermeister Pascal Bader gestern gegenüber dem Teckboten, nachdem am Vortag die zweite Veranstaltung dieser Art in der Teckstadt über die Bühne gegangen war.
„Bei jedem einzelnen, der da mitspaziert, ist das im Prinzip eine Ordnungswidrigkeit.“ Der korrekte Weg wäre der, eine Versammlung anzumelden: „Dann könnten wir entsprechende Vorgaben machen – zu Masken, Abstandsregeln, maximalen Teilnehmerzahlen oder zu Örtlichkeiten. Aber so ist das nicht möglich, und das macht es schwierig für uns – unabhängig von den Inhalten der Botschaften.“
Gefahr der Radikalisierung
Für den ersten „Spaziergang“ spricht Pascal Bader von 100 bis 150 Teilnehmern. Diesen Montag waren es um die 300. „Größtenteils sind die Veranstaltungen friedlich, aber nicht überall. In anderen Städten im Landkreis seien auch Scheiben zu Bruch gegangen. „Wir sehen die große Gefahr, dass sich immer mehr Radikale unter die Menschen mischen, die friedlich unterwegs sind.“
Annemarie Branke, die stellvertretende Leiterin der Kirchheimer Stabsstelle Recht, präzisiert: „Wenn nur ein einziger unter 300 Teilnehmern nicht friedlich agiert, kann bereits die gesamte Veranstaltung entgleiten.“ Auch deswegen sei es wichtig, sich ans Versammlungsrecht zu halten und Verantwortliche zu benennen, die eine solche Art von Demonstration genehmigen lassen. „Die Anmeldung hilft uns bei unserer Aufgabe, die öffentliche Sicherheit und Ordnung aufrechtzuerhalten. Es geht dabei aber auch um den Schutz der Veranstaltung.“
Letzteres ist nicht nur so dahergesagt: „Wir halten die Versammlungsfreiheit hoch“, stellt Annemarie Branke fest. Zu möglichen Radikalisierungen nimmt auch der Oberbürgermeister Stellung: „Wir sehen eine zunehmende Bedrohung derjenigen, die impfen und testen. Dagegen muss man vorgehen, da informieren wir auch den Verfassungsschutz.“ Annemarie Branke ergänzt: „Man darf in jeder Hinsicht anderer Meinung sein. Deswegen darf man auch anderer Meinung sein als die Teilnehmer solcher Veranstaltungen.“
Pascal Bader hält mit seiner eigenen Meinung keinesfalls hinterm Berg: „Es ist sinnvoll, sich impfen und testen zu lassen.“ Deswegen würde er sich wünschen, dass auch die große Mehrheit, die sich impfen lä sst, ihre Meinung stärker nach außen vertritt: „Die Gegner der Impfungen sind ja nicht die Mehrheit. Das wirkt nur so bei solchen Veranstaltungen.“
Was ihm schwer zu schaffen macht, ist die Situation derjenigen, die auf Intensivstationen tätig sind, auch in Kirchheim. „Für die ist das richtig heftig. Die können es kaum ertragen, dass da 300 Leute ohne Masken auf engstem Raum beieinanderstehen.“
Die Oberbürgermeister der Großen Kreisstädte stehen in engem Austausch, auch mit dem Landrat, was den Umgang mit den „Spaziergängen“ betrifft. Die Stadt Kirchheim prüft, ob ein Versammlungsverbot greifen könnte, wenn solche organisierten Veranstaltungen nicht angemeldet sind: „Stadt und Polizei arbeiten eng zusammen.“ Andreas Volz