Mit der Sicherheit ist es so eine Sache: Groß ist der Unterschied zwischen dem subjektiven Sicherheitsgefühl und den objektiven Zahlen der Polizeistatistik, wie Jürgen Ringhofer, der Leiter des Kirchheimer Polizeireviers, im Mehrgenerationenhaus eindrucksvoll unter Beweis stellte. Er fragte die Zuhörerschaft beim „Stadtgespräch“ des Bürger-Treffs, wie viele Wohnungseinbrüche es in Kirchheim im vergangenen Jahr gegeben habe. Die Schätzungen begannen verhalten mit „69“. Weiter ging es mit „zehn Mal so viel“ – also 690. Noch immer war eine Steigerung möglich, denn im dritten Anlauf kam die Vermutung „weit über tausend“. Das sind Angaben, die das subjektive Sicherheitsgefühl beleuchten, also die „gefühlte“ Einbruchskriminalität.
Tatsächlich sind der Polizei für 2022 aber „nur“ 14 Wohnungseinbrüche in Kirchheim gemeldet worden – und der Großteil ist zudem erfolglos verlaufen aus Sicht der Einbrecher: „Nur in fünf Fällen waren die Täter auch wirklich in der Wohnung drin.“ Das soll die Sache sicher nicht verharmlosen. 14 Einbruchsversuche sind für das allgemeine Sicherheitsgefühl immer noch 14 zu viel. „Und den Opfern eines erfolgreichen Einbruchs hilft unsere Statistik auch nicht weiter“, fügte Jürgen Ringhofer hinzu. „Das Eindringen in ihren persönlichsten Bereich belastet die Opfer stark.“ Viele müssten danach die Wohnung wechseln, weil sie es nicht verkraften können, weiterhin in einer Wohnung zu leben, die Einbrecher durchwühlt haben. Das Sicherheitsgefühl der Bewohner hat dadurch also extrem gelitten.
Trotzdem belegen die Zahlen die Kernaussage Jürgen Ringhofers beim Stadtgespräch zum Thema „Innere Sicherheit“: „Im Bereich des Reviers Kirchheim leben wir sehr sicher.“ Das bestätigt auch die aussagekräftige „Häufigkeitszahl“ – die Anzahl der erfassten Fälle pro 100 000 Einwohner. Im Landesdurchschnitt lag diese Zahl im vergangenen Jahr bei 4 944, im Bereich des Reviers Kirchheim dagegen nur bei 3 382. Lediglich in Kirchheim selbst lag sie mit 5 108 leicht über dem Landesdurchschnitt.
Auch Täter suchen Sicherheit
Ist Kirchheim deswegen ein gefährliches Pflaster? Jürgen Ringhofer klärt auf: „Kirchheim ist eine sehr attraktive Stadt, die viel Publikum anzieht. Und damit zieht sie automatisch auch mehr Kriminelle an als die kleineren Kommunen im Umland.“ Eine weitere Erklärung ist das „Sicherheitsgefühl“ der Täter: „Die Täter sind interessiert daran, dass sie schnell und sicher wieder wegkommen.“ Und mit der Flucht tun sie sich in Neidlingen eben schwerer als in Kirchheim – schon allein geografisch bedingt. Wahrscheinlich fallen fremde Fahrzeuge in Neidlingen auch stärker auf als in Kirchheim.
Das Bedürfnis der Täter nach Sicherheit ist auch entscheidend, um einen EInbruch in die eigene Wohnung verhindern zu können: Investitionen in die Sicherheit zahlen sich aus, denn „wenn Einbrecher nicht in eine Wohnung reinkommen, brechen sie den Versuch nach drei bis fünf Minuten ab“. Bevor man aber die eigene Wohnung sofort in einen Tresorraum oder Hochsicherheitstrakt verwandelt, genügen auch ganz einfache Regeln. „Bei unserer Präventionsarbeit stoßen wir ganz oft auf offene Garagen, offene Haustüren oder auch auf Wohnungstüren, in denen die Schlüssel von außen stecken.“
Ganz wichtig: „Ein schräg gestelltes Fenster ist ein offenes Fenster, und eine Tür, die nur zugezogen, aber nicht abgeschlossen ist, stellt für die Täter regelrecht eine Einladung zum Einbruch dar.“ Auch wer nur kurz zum Einkaufen weg ist, solle deswegen Fenster und Türen fest verschließen: „Ein Einbruch dauert auch nur kurz. Die Täter halten sich nur fünf bis zehn Minuten in einer Wohnung auf. Aber die wissen eben genau, wo sie suchen müssen.“
Zur gefühlten Sicherheit erwähnte Jürgen Ringhofer das „Altersparadox“: „Je älter man wird, desto mehr hat man Angst, Opfer einer Straftat zu werden. Tatsächlich aber sinkt dieses Risiko mit zunehmendem Alter.“ Opfer einer Körperverletzung auf offener Straße nachts um zwei Uhr könne schließlich nur werden, wer um diese Zeit noch unterwegs ist.