Kirchheim
Stadtspitze unterwegs in der Südstadt: Bürgerdialog beim Coffee Walk

Unter dem Motto „Nah dran“ lädt die Stadt zu einem Rundgang durch das Südstadt-Quartier. Beim „Coffee Walk“ kommen Bürgerinnen und Bürger mit der Stadtspitze ins Gespräch.

Noch sind die Becher voll: Der erster Halt am Kirschbaum auf dem Rambouillet-Platz. Von hier aus geht es gemeinsam weiter. Foto: Jule Störk

Eine Brezel in der einen Hand, eine Tasse Kaffee in der anderen – so beginnt der Dienstagabend am Pavillon auf dem Rambouillet-Platz. Was zunächst wie ein gemütlicher Spaziergang klingt, ist in Wahrheit der Startschuss für ein neues Beteiligungsformat der Stadt Kirchheim: Unter dem Motto „Nah dran“ will Kirchheim künftig regelmäßig durch die Quartiere spazieren, um zuzuhören, ins Gespräch zu kommen und gemeinsam Lösungen zu finden. Statt im Sitzungssaal zu diskutieren, geht es heute raus zu den Menschen – denen, die hier täglich leben, spielen, einkaufen – und Fragen haben.

Den Anfang macht die Südstadt. Oberbürgermeister Dr. Pascal Bader, Erster Bürgermeister Achim Rapp, Bürgermeisterin Christine Kullen und Mitglieder des Gemeinderats gehen gemeinsam mit Bürgerinnen und Bürgern durch das Viertel – und wollen sehen, was im Alltag wirklich zählt.

Gehen bringt Dinge in Bewegung

Friederike Hempel, Quartiersmanagerin und Brückenhausmitarbeiterin 

„Wenn man geht, kommt was in Gang“, sagt Quartiersmanagerin Friederike Hempel. Sie mag den Gedanken des Pilgerns: Probleme lösen sich zwar nicht im Handumdrehen, aber sie lassen sich gemeinsam angehen. In der Südstadt sei man seit Jahren gemeinsam unterwegs, betont sie. Weggemeinschaften gebe es hier viele – in Schulen, Kirchengemeinden, bei freien Trägern. Die Brückenhausmitarbeiterin sieht den Coffee Walk als sinnbildlichen Aufbruch – mit der Stadt in Bewegung. 

Startpunkt mit Aussicht: Was bewegt die Südstadt?

Bevor es losgeht, gibt es im Pavillon auf dem Rambouillet-Platz noch ein paar einladende Worte – und Kaffee, Tee, Wasser und Brezeln. Die erste Station liegt nur ein paar Schritte entfernt, und doch mitten im Alltag der Kinder. Am großen Kirschbaum versammelt sich die Gruppe. Ein Mädchen tritt vor, holt tief Luft und liest ihr selbstgeschriebenes Gedicht vor: Ein Baum, eine Katze – und der Wunsch, hoch hinaus zu kommen. Am liebsten gemeinsam. 

Auf die Frage, wer oft auf dem Platz unterwegs ist, gehen fast alle Hände hoch. Und wie gefällt er ihnen? „Karg“, ruft es aus dem Publikum. „Nüchtern“, wird ergänzt. „Ein bisschen Holz mit Lehne – für die Älteren, das wär doch was“, meint jemand. Es wird geschmunzelt, aber auch ernst genickt. Es dauert nicht lange, bis sich Menschen unterhalten, Gedanken austauschen, erste Ideen entstehen. Die Themen, die zur Sprache kommen, verschwinden nicht – sie wandern ins Protokoll, werden online veröffentlicht und weiterverfolgt.

So geht es Station für Station weiter durch die Südstadt – sechs Haltepunkte, sechs Gelegenheiten, das Quartier zu zeigen, wie es ist: nicht perfekt, aber mit vielen, die sich kümmern. Was gut läuft, wird benannt. Was stört, kommt ebenso zur Sprache. Und oft wird gleich direkt vor Ort darüber gesprochen, was man ändern könnte. Ideen entstehen im Gehen, werden weitergedacht, diskutiert – ganz ohne große Bühne, sondern mitten auf dem Gehweg. Die Gespräche sind ehrlich, offen und oft erstaunlich direkt. Hier wird nicht lange um den heißen Brei geredet – sondern angesprochen, was da ist. 

Ideen am Wegrand – und die Bereitschaft, sie mitzunehmen

An jeder Station tragen Kinder ihre Gedichte vor. Am Spielplatz schaut ein Junge erst unsicher in die Runde. „Du kannst dich auch so rum hinstellen, dann siehst du die Leute gar nicht“, beruhigt ihn die Quartiersmanagerin. Der Junge nickt, nimmt das Mikrofon in die Hand – und fängt an zu lesen. Er beschreibt, wo für ihn Zuhause ist: Dort, wo sein Nashorn badet – mit Schaumbad, Badeöl, und allem, was dazugehört.

Zwischen all den Stimmen am Wegesrand – kurze Zurufe, längere Gespräche, manchmal auch ein konkreter Vorschlag – zeigt sich: Das Quartier redet mit. Die Kinder zeigen, wo sie wohnen, wo sie spielen, was ihnen wichtig ist. Zwei Mädchen schnappen sich kurzerhand den Oberbürgermeister, jede an einer Seite, und führen ihn zur nächsten Station. Eine Halt sticht besonders hervor: der SNEG. Statt Kritik gibt es hier vor allem Lob. „Ein echtes Geschenk“, sagt eine Mutter – und meint damit mehr als nur den Ort selbst. Inklusion, Freiraum, Vertrauen: vieles, das was hier gelebt wird, soll bleiben – genau so, wie es ist. 

Das Herz der Südstadt lebt von denen, die es nutzen

Am Ende führt der Weg zum roten Platz – für viele das Herz der Südstadt. Hier wird gespielt, gegrillt, gefeiert, einfach gelebt. „Das ist unser Lebensmittelpunkt“, sagt eine Anwohnerin. Andere erzählen, wie sie hier aufgewachsen sind – und was sich verändert hat. Die Gespräche werden nicht weniger, obwohl der Rundgang sich dem Ende neigt. Schulwege, Spielgeräte, überflutete Wiesen, lebendige Erinnerungen – vieles kommt zur Sprache. Und immer wieder schwingt da dieses Gefühl mit: Wir sind mittendrin. Und wir wollen mitgestalten.

Oberbürgermeister Pascal Bader ist beeindruckt von der Beteiligung: „Das zeigt, wie wichtig den Menschen ihr Quartier ist.“ Quartiersmanagerin Hempel spricht aus, was viele an diesem Abend gespürt haben: „Man muss nicht alles sofort lösen. Aber man kann gemeinsam losgehen.“

Von Nashörnern, Baumhäusern, und dem Gefühl, zu Hause zu sein

Was bedeutet Heimat?  Mit dieser Frage haben sich die Kinder beschäftigt – und ihre Antworten in Gedichte gepackt. Die Texte sind in den Februarferien entstanden, im Rahmen einer Schreibwerkstatt, die Friederike Hempel organisiert und geleitet hat. Viele der Kinder, die dabei waren, nutzen regelmäßig die Angebote im Quartier, wie den Pavillon oder den SNEG. 

Manche schreiben ihre eigenen Zeilen, andere kleben Wörter aus Zeitungen zu neuen Gedanken zusammen. Herausgekommen sind ganz unterschiedliche Texte: leise und mutig, ehrlich und verspielt. Beim Coffee Walk hängen an jeder Station je zwei ihrer Gedichte aus. Eins davon wird auch von dem Kind, das es verfasst hat, vorgelesen. Wer sich traut, tritt ans Mikrofon. So geht es entlang der Worte, Schritt für Schritt durchs Viertel, wie Friederike Hempel es geplant und gemeinsam mit den Kindern auf den Weg gebracht hat.

Kindertexte zum Thema Heimat - entstanden in der Schreibwerkstatt. Foto: Jule Störk