Jetzt geht es so langsam an Herz und Nieren: Das haben diverse Einzelhändler aus dem Landkreis Esslingen im Online-Gespräch mit den SPD-Landtagskandidaten und mit dem Bundestagsabgeordneten Nils Schmid deutlich gemacht. „Es geht nicht nur um die Läden und um die Saisonware, die jetzt, verdorben‘ ist. Es geht auch um die Mitarbeiter in Kurzarbeit, die gar nicht wissen, ob es ihren Betrieb überhaupt noch gibt, wenn er im März wieder aufmachen dürfte“, hieß es.
Etwas allgemeiner gehe es „um die europäische Stadt, so wie wir sie kennen“. Denn auch das wurde im Lauf des Gesprächs klar: Es hängt alles miteinander zusammen. Lag der Einzelhandel in den Innenstädten im Oktober corona-bedingt 20 Prozent unter dem Vorjahresumsatz, war er im November bereits bei 50 Prozent angelangt. Grund dafür: Der Lockdown, der die Gastronomie getroffen hatte, sorgte für entsprechend weniger Kunden in den Städten.
Inzwischen sind diejenigen Händler, die seit Dezember selbst vom Lockdown betroffen sind, schon froh, wenn sie noch auf fünf Prozent ihres gewohnten Umsatzes kommen - dank Bestell- und Lieferservice. Ein dauerhafter Ersatz für das normale Geschäft kann das nicht sein, sagen sie und erklären definitiv: „Wir sind nicht die Ewig-Gestrigen, die nicht begriffen haben, dass sie ihren Handel ins Internet verlegen müssen. Wir haben ein völlig anderes Geschäftsmodell. Das Einzige, was wir mit dem Online-Handel gemeinsam haben, ist die Ware.“
Wer den Einzelhändlern vorhalte, selbst schuld zu sein und nicht rechtzeitig auf den Online-Service umgestellt zu haben, könne auch zu einem Gastwirt sagen: „Wenn du deine Gäste nicht im Restaurant empfangen kannst, hättest du dir eben rechtzeitig einen Imbisswagen anschaffen und halbe Hähnchen verkaufen müssen.“
Warten auf die November-Hilfe
Enttäuscht sind die Händler auch von den staatlichen Hilfen. Dass die November-Hilfe Ende Januar immer noch nicht eingetroffen ist, ärgert allerdings nicht nur die Betroffenen. Nils Schmid, der das Gespräch leitete, zeigte sich ebenfalls empört: „Das scheint wirklich an einem Programmierungsproblem zu liegen. Für uns Laien ist das schwer nachvollziehbar. Wir ärgern uns selbst, dass es so lange dauert. Aber jetzt soll es schnell ausgezahlt werden.“
Das wird für viele bitter nötig sein. Es gab genügend Fallbeispiele: Da schrieb ein Laden erstmals einen Verlust, in über 20 Jahren. Aber der Verlust war im Coronajahr 2020 gleich so hoch, dass er nur mit fünf Jahresgewinnen ausgeglichen werden kann. Besonders betroffen sind Händler, die es mit saisonaler Ware zu tun haben - nicht nur, aber vor allem in der Modebranche. Die gesamte Ware einer Saison muss nicht nur vorher bestellt, sondern auch vorher bezahlt werden. Nun sitzen die Händler einerseits auf der Ware, und andererseits fehlen ihnen die Einnahmen, um für die nächste Saison vorbestellen zu können. Es gebe bereits Lieferanten, die keine Bestellung mehr entgegennehmen, weil sie fürchten, dass der Geschäftspartner gar nicht mehr bezahlen kann. Da geht die Liquidität durch den Lockdown schon mal um 350 000 Euro zurück. „Das kann man sich nicht lange leisten“, heißt es von Händlerseite.
Eine Ungleichbehandlung sieht der Handel auch gegenüber der Gastronomie, was Nils Schmid als wichtigen Hinweis aufnahm: „Die Gastronomie erhält einen umsatzorientierten Ausgleich, der Handel dagegen einen fixkostenorientierten.“ Die Händler hatten aber moniert, dass die Fixkosten zwar hoch seien, im Gegensatz zum weggefallenen Umsatz aber keine so große Bedeutung hätten. Sie fordern deshalb, auch ihre Saisonware beim finanziellen Ausgleich einberechnen zu können.
Eine andere Ungleichbehandlung gibt es beim Sortiment: Nicht jeder, der Schulranzen im Angebot hat, darf derzeit öffnen, mancher aber schon - je nachdem, was er sonst noch verkauft. Hier fürchten diejenigen, die vom Lockdown betroffen sind, dass das Saisongeschäft bereits beendet sein könnte, bevor sie wieder öffnen dürfen.
Nils Schmid nahm die Anregungen mit - genau wie seine Landtagsgenossen. Als wichtigste Perspektive gab er den Händlern mit auf den Weg: „Durch die Impfung haben wir die Chance, die Pandemie dieses Jahr beherrschbar zu machen. Die Kommunen müssen dann schauen, wie sie Händlern und Gastronomen entgegenkommen können - ähnlich wie im Sommer 2020. Nur so können wir uns weiterhin über lebendige Innenstädte freuen.“