Viel Steine gab‘s und wenig Brot heißt es in einem Gedicht von Ludwig Uhland - und trifft aus Vogel- und Insektensicht für immer mehr Vorgärten zu. Schotter macht sich breit und scheint in Mode zu kommen. Pflegeleicht sollen sie sein, die Steingärten, weshalb sich immer mehr Hausbesitzer dafür entscheiden. Doch dem widerspricht Landschaftsgärnter Jürgen Gerber aus Kirchheim: „In den ersten zwei bis drei Jahren trifft es zu. Aber der Schotter verliert sehr schnell an Qualität, er verschmutzt.“
Dank eines Vlies‘ wächst zwar kein Unkraut von unten in den Himmel, aber mit der Zeit sammeln sich Flugsamen und anderes biologisches Material zwischen den Steinen an, sodass auch hier Pflanzen Fuß fassen können. „Die Steingärten sauber zu halten ist sehr mühsam und fast unmöglich“, erklärt Jürgen Gerber. Wer es ein halbes Jahr schleifen lässt, hat aus seiner Sicht den Kampf gegen die Natur verloren. „Den Wunsch der Kunden müssen und wollen wir respektieren“, sagt Jürgen Gerber. Im Gespräch merkt er schnell, ob er den Kunden mit seinen Argumenten überzeugen kann.
Der Landschaftsgärtner favorisiert eine Bodendecker-Bepflanzung in den Vorgärten. Die ist in den ersten zwei, drei Jahren zwar pflegeintensiver, aber dann ist der Wuchs so dicht, dass kaum noch Arbeit nötig ist - und somit dreht sich das System Stein contra Pflanze bezüglich des Arbeitsaufwands. „Die Pflanzen blühen und sind viel wertvoller für Natur und Ästhetik als der Schotter“, so Jürgen Gerber. Dabei will er Steine nicht grundsätzlich aus den Vorgärten verbannen. „Ein netter Großkiesel oder Findling, ein kleines Band aus Steinen als Element sieht durchaus schön aus - aber alles andere macht keinen Sinn“, so seine klare Aussage.
Die deckt sich mit dem des Nabu, der auf seiner Homepage von den „Gärten des Grauens“ schreibt. Unter den Steinwüsten würde die Artenvielfalt in den Städten und Gemeinden leiden. Vorgärten und kleine Grünflächen haben aus Sicht der Naturschützer eine besondere Bedeutung für die Artenvielfalt und das Klima in der Stadt. Insekten und Vögel können auf der Suche nach Nahrung und Nistplätzen „von Trittstein zu Trittstein“ wandern. Grünflächen liefern saubere, frische Luft. Kies- und Steinflächen heizen sich dagegen stärker auf, speichern Wärme und strahlen sie wieder ab. „Für das Stadtklima wird die Zunahme an Kies- und Steingärten zum Problem“, so der Nabu.
Das haben die Verwaltungen in Kirchheim und Weilheim erkannt. Um der Tendenz entgegenzuwirken prüft Kirchheim, ob es eine allgemein gültige Satzung für das gesamte Stadtgebiet geben kann, die Steingärten ausschließt. Weil der Begriff „Grünfläche“, wie er in der Landesbauordnung steht, relativ unkonkret sei, ist in den Bebauungsplänen der Stadt seit Kurzem eine Bauvorschrift enthalten, die die Verwendung von Kies-, Schotter- und vergleichbarem Material für die Gestaltung von unbebauten Flächen als unzulässig erklärt. „Stattdessen steht dann drin, dass die unversiegelten Vegetationsflächen gärtnerisch anzulegen und dauerhaft zu erhalten sind“, erklärt Dennis Koep, Pressesprecher der Stadt Kirchheim. „Wenn also jemand im Klosterviertel ein Haus kauft, dann könnte er keinen Steingarten anlegen“, führt er aus.
Noch in diesem Jahr soll ein entsprechender Vorschlag dem Gemeinderat vorgelegt werden. „Steingärten sind Geschmacksache, aber Natur und Umwelt sowie die Artenvielfalt gehen vor. Mit der neuen Satzung wollen wir entgegenwirken, dass die Grundstückseigentümer mit den versiegelten Flächen die Natur abwürgen. Das hat auch mit Nachhaltigkeit zu tun“, sagt Dennis Koep. Bebauungspläne, bei denen die neue Vorschrift gilt, sind der Henriettengarten und das Gerberviertel.
„Wir sehen die Steingärten kritisch“, sagt Reiner Völlm von der Bauverwaltung in Weilheim. In den Neubaugebieten regeln die Bebauungspläne sogar die Breite der Zufahrten und Stellplätze, außerdem gibt es schon seit Jahrzehnten ein Pflanzgebot samt Katalog, in dem die Pflanzen aufgelistet sind, die wachsen dürfen. Sehen Bauhofmitarbeiter, dass jemand Vlies im Vorgarten auslegt, ist das meist das Indiz, dass ein Steingarten angelegt wird. Dann sprechen sie die Eigentümer an. „Wir versuchen dann einzuwirken, damit kein Steingarten entsteht“, sagt Reiner Völlm.