Schon blöd, wenn das Rüstzeug zweier Varieté-Darsteller während des Auftritts ein Eigenleben entwickelt. Obwohl Shelly Mia Kastner und ihr Partner Jason McPherson jeweils auf ihre Art versuchen, den widerspenstigen Requisiten entgegenzusteuern, wird es – wie mancher im Publikum bereits vermutet – immer schlimmer: Kostüme und Requisiten werden unkontrollierbar oder greifen sogar an, und obere wie untere Extremitäten verbiegen, vermehren oder verabschieden sich. Ratzfatz werden aus zwei Beinen plötzlich drei, zusammengewachsene Augenbrauen – auch als Monobraue bekannt – inklusive. Selbst das Anziehen wird zum Desaster und das antackern von Quasten sowieso – allerdings, passieren diese Missgeschicke fast immer nur dem männlichen Part, was auch der fehlenden Kommunikation zwischen den beiden geschuldet ist.
Kurios und völlig abseits des Gewohnten macht das amerikanisch-kanadische Ehepaar all das, was die älteren Besucherinnen und Besucher von früher kennen. Ihre Art erinnert sehr an das britisch-amerikanische Komiker-Duo Stan Laurel und Oliver Hardy, die mit ihren zwischen 1921 und 1956 gedrehten Episoden von 1970 bis 1973 als „Dick und Doof“ das deutsche Publikum begeisterten. Körperbezogene, visuelle Formen der Situationskomik, mit der zu jener Zeit auch Dieter „Didi“ Hallervorden überzeugte und „Palim, Palim“, trotz einfach gestrickter Geschichten für Lachsalven sorgte. Genau das schafft das Duo „Strange Comedy“ annähernd wortlos mit seinen Slapstick-Nummern. Ein dickes Lob gebührt ihrer Mimik und Gestik, wo „Blicke sagen mehr als tausend Worte“, die bei Beiden wie die Faust aufs Auge passt.
Begleitet werden ihre Aktionen von dramatischer Musik sowie lustigen, vielfältigen Geräuschen, letztere unterstreichen die beweglichen Requisiten – ein Running Gag für die Ohren. Ob Shelly Mia Kastner im grellpinken Kostüm der Flugbegleiterin die Sicherheitsvorkehrungen ansagt oder Jason McPherson sich fein anziehen möchte – alles geht grundsätzlich schief. Das ist gewollter Slapstick mit Patina, ihre entsprechenden Missgeschicke werden von ihm mit Hundeblick und Seufzer hingenommen, und von ihr tapfer-strahlend mit ausladenden Armen weggelächelt. Richtig Action gab es auf Jason McPhersons Balanceakt auf der Rola-Bola, einer Rolle mit Brett, auf der er sich extrem biegsam zeigte.
Zusammengefasst bietet „Strange Comedy“ mit reduzierter Schlichtheit jede Menge Jux, die mit Blick auf Digitalität und KI vermutlich den Großteil nicht vom Hocker hauen könnte. Doch schön, dass es noch Menschen gibt, die mit Können, Freude ohne flackerndes und lautes Brimborium, aber dafür mit echtem Charisma, ihr Publikum abholen – wie man am frenetischen Beifall messen konnte.
Herr und Frau Seltsam
Die Kanadierin Shelly Mia Kastner (53, Montreal) und der US-Amerikaner Jason McPherson (50, San Francisco) lernten sich 1998 als Trapezartistin und Clown auf der USA/Mexiko-Tournee des Cirque Ingenieux kennen. 2006 gründeten sie ihr Duo „Strange Comedy“ und treten seitdem auf der ganzen Welt auf. 2009 folgte die Hochzeit, seit 2016 leben sie in Wiesbaden. Am 14. September 2019 kamen sie nach ihrem Auftritt beim Supertalent weiter in die engere Auswahl. ack