An diesem Morgen wuselt es nur so in sämtlichen Räumen des Tageselternvereins der Regionalabteilung Kirchheim. Doch es sind nicht etwa Kinder, die sich hier neugierig umschauen, sondern allesamt Erwachsene - bis auf drei „Alibikinder“ mit ihrer Tagesmutter. Der Grund: Der Verein hat offiziell zur Einweihung des neuen Büros in die Turmstraße 3 eingeladen und viele sind gekommen.
„Ich war beim Friseur.“ Mit diesen Worten überrascht Simone Büschel, Sachgebietsleiterin Fachberatung Kindertagesbetreuung des Landratsamt Esslingen, die Gäste. Der scheinbaren Nebensächlichkeit folgt prompt die Erklärung: „Da bekommt man Zeitschriften in die Hand gedrückt, die man sonst nicht unbedingt liest.“ Und so stieß sie auf ein Thema, das erstmals 1973 in der „Brigitte“ erschienen war, und auf das in der aktuellen Ausgabe eingegangen wurde: das skandinavische Erfolgsmodell „Tageseltern“. Das wurde vor 45 Jahren vorgestellt, ebenso der erste deutsche „Versuch“. Simone Büschel bedauert, dass sich in den vergangenen Jahrzehnten kaum etwas in diesem Bereich verändert hat. So ist die Kindertagespflege beispielsweise kein Beruf.
Um so wichtiger ist, was der Tageselternverein leistet. Hier findet fundierte Erstberatung statt - egal ob für interessierte Eltern oder diejenigen, die sich für die Tätigkeit interessieren. Dabei werden etwa die Themen Verdienst - nicht sehr üppig -, Qualifikation und Weiterbildungsmöglichkeiten angesprochen. Auch im laufenden Prozess werden die Beteiligten vom Verein begleitet, sind seine Mitarbeiterinnen die Vermittler bei Konflikten.
„So ganz von allein geht das aber nicht, es braucht auch ein bissle Geld dafür“, sagt Simone Büschel. Der Kreistag hat 1,9 Millionen Euro für den Landkreis bewilligt und auch alle 44 Kommunen fördern die Tageseltern, wenn auch mit unterschiedlichem finanziellen Engagement. Alle Fördergelder eingerechnet, auch die des Landes, beträgt der Zuschuss 6,50 Euro pro Betreuungsstunde.
Welch dicke Bretter in diesem Bereich zu bohren sind, verdeutlichte Andreas Schwarz, Fraktionsvorsitzender der Grünen im Landtag: „Das Thema beschäftigt mich seit 20 Jahren. Im Kirchheimer Gemeinderat bin ich damals mit großen Augen angeschaut worden, als ich frühe Förderung für Kinder gefordert habe.“ Zwischenzeitlich sei in der Kindertagespflege eine enorme Professionalisierung erreicht, die eine qualitativ hochwertige Säule im Angebots-Kanon ist. „Der Tageselternverein bietet ein passgenaues und flexibles Angebot“, sagt Andreas Schwarz. Das sei vor allem im Blick auf die Vereinbarkeit von Familie und Beruf wichtig. „Erst recht, wenn wir nahezu Vollbeschäftigung haben und die Frauen in den Betrieben brauchen“, so der Grünen-Politiker.
In Baden-Württemberg nehmen knapp 22 600 Kinder solch ein Angebot bei rund 6 600 Tagespflegepersonen an. Die Tagesmütter lobt Andreas Schwarz ausdrücklich: „Da wirst du nicht reich davon, das braucht innere Überzeugung, Kinder in ihrer frühen Phase zu betreuen und zu fördern.“ Er versprach, 2020 oder 2021 über die Erhöhung des Fördersatzes zu sprechen. Ihm ist klar, dass der Betrag von derzeit 6,50 Euro nicht auf viele Jahre festgezurrt bleiben kann.