Taktzeiten lassen sich nicht einhalten, Fahrer sind überlastet, Nutzer genervt. Die Baustellen in und um Kirchheim bremsen den Öffentlichen Personennahverkehr derzeit an vielen Stellen aus. Doch was den Busunternehmen generell zu schaffen macht, ist die steigende Zahl von Tempo-30-Zonen, die Städte und Gemeinden ausweisen. „Tempo 30 in Holzmaden
kostet uns 61 Sekunden“, macht Sybille Bauer, Geschäftsführerin des Weilheimer Busunternehmens Fischer klar. „Das klingt erstmal nicht viel. Bei einer Wendezeit von nur zwei Minuten in Weilheim ist das aber enorm.“ Geschlossene Schranken, wenn die Teckbahn fährt, parkende Autos in den Ortsdurchfahrten und ein zunehmender Verkehr lassen die Busse zusätzlich stocken.
Die Linie 175 von Kirchheim über Dettingen, Bissingen, Weilheim, Holzmaden und Jesingen zurück nach Kirchheim, die Fischer im Auftrag der Württembergischen Bus-Gesellschaft (WBG) fährt, darf eine Stunde brauchen. Insgesamt schaukeln sich die Verspätungen auf der Ringlinie laut Sybille Bauer ohne Baustellen bereits jetzt auf sechs Minuten auf. Derzeit, wo vielerorts gebuddelt und der Verkehr durch Ampeln geregelt wird, sind die Busse sogar bis zu 30 Minuten später dran, als im Fahrplan vorgesehen. „Es gibt keine Chance, das reinzuholen“, sagt die Firmenchefin. Bei einer halben Stunde Verspätung müsse man eine Fahrt ausfallen lassen. In den nächsten Bus passten auf der sehr gut genutzten Linie dann aber teilweise gar nicht alle Leute rein. Am Schlimmsten sei es im Berufsverkehr gegen 16, 17 Uhr. Gerade da hält es Sybille Bauer aber für wichtig, Pendler zurück nach Weilheim zu bringen.
Tempo 30 gilt neuerdings nicht nur in der Ortsdurchfahrt von Holzmaden, sondern auch auf der L 1200 auf Höhe der Sauriergemeinde. Genauso in Kirchheim ab dem Freibad stadteinwärts und auf dem Alleenring. Bis zum Jahresende soll der Verkehr laut Robert Berndt, Pressesprecher der Stadt, voraussichtlich noch in weiteren Bereichen gedrosselt werden. So in der Ortsdurchfahrt Jesingen.
In der Naberner Ortsdurchfahrt könnte 2023 außerdem Tempo 40 verhängt werden. Dazu fehlen allerdings momentan noch die rechtlichen Voraussetzungen. „Wenn beides kommt, ist der Busfahrplan nicht mehr zu halten“, sagt Hartmut Matschiner, Standortleiter der WBG in Kirchheim.
Abgestimmt sind die Buslinien auf die S-Bahn in Kirchheim. Der Puffer zwischen Ankunft der Busse aus Weilheim und der Abfahrt der Züge in Kirchheim beträgt beträgt laut Plan acht Minuten. Dass Fahrgäste, die die S-Bahn erwischen möchten, mitunter die Busfahrer drängen, Gas zu geben, sei für den, der hinterm Steuer sitzt, zusätzlich belastend, sagt Sybille Bauer. Öfter als dreimal hintereinander könne sie ihren Fahrern die 175er-Linie nicht zumuten. „Nach gut drei Stunden sind sie einfach fertig.“
Drosseln Städte und Gemeinden den Verkehr, müsse der ÖPNV rechtzeitig informiert werden, so lautet die dringende Bitte der Unternehmerin. Das gelte für Baustellen genauso wie für Tempo-30-Zonen. Erst auf Anfrage seien etwa Ergebnisse von Gutachten vorgelegt worden, die zeigen, wie viel Zeit durch das verlangsamte Tempo in Holzmaden auf der Strecke bleibt. Robert Berndt betont, die Auswirkungen auf den Busfahrplan habe die Stadt Kirchheim vielfach berücksichtigt. Gemäß den Berechnungen eines Büros erhöhe sich die Fahrzeit auf manchen Strecken um weniger als eine Minute.
Doch macht es für Sybille Bauer die Summe. „Der Fahrplan aus dem Jahr 2017 hat sich überholt. Es braucht einen neuen“, sagt sie. Bis der stehe, fordert sie von den Kommunen, die neu eingerichteten oder geplanten Tempo-30-Zonen auf den Straßen, auf denen Linienbusse unterwegs sind, auszusetzen. Auch müsse man speziell an die Linie 175 nach Weilheim ran. Viel zu lange unterwegs sei zudem der Bus von Kirchheim nach Neidlingen. Laut Fahrplan braucht er rund 40 Minuten und damit ungefähr doppelt so lang wie ein Autofahrer. „Gut wäre, Holzmaden, den Egelsberg und Hepsisau mit Neidlingen jeweils als Stichfahrten anzusteuern“, so Sybille Bauers Idee.
Der Nahverkehrsberater bremst
Den Vorschlag hält der Nahverkehrsberater Hartmut Jaißle für wenig sinnvoll. Bei drei Linien im 20-Minuten-Abstand habe genau eine S-Bahn-Anschluss. Generell könne man nicht sagen, dass Tempo 30 den Verkehr verlangsamen würde. Mitunter laufe er in diesen Bereichen sogar flüssiger. In Lenningen habe er sich aber beispielsweise auf den Durchfahrtsstraßen gegen Tempo 30 ausgesprochen. Die Busse hätten sonst am Bahnhof in Oberlenningen wenden und die Wohngebiete links liegen lassen müssen, weil sonst die Zeit zu knapp geworden wäre.