Es gibt ganz viele Dinge, die für uns zum allerersten Mal passieren, wir hatten noch nie einen lebenden Autor bei uns“, begrüßt Lehrer Sebastian Gekeler das Publikum, unter dem auch der Theater-Regisseur und Autor Jürgen von Bülow mit seiner Frau weilt. „Es ist ein enger Raum und es wird viel Bewegung geben, so kann es sein, dass heute mal etwas nicht perfekt funktioniert“, entschuldigt sich der Leiter der Oberstufen-Theater-AG vorab, was sich aber als völlig unnötig herausstellen sollte.
London, in Sherlock Holmes Wohnung in der Baker Street 221b, man schreibt das 1920. Der Meisterdetektiv schaut auf die Straße, geht unruhig auf und ab. „Watson, das Leben ist unendlich langweilig“, stellt er resigniert fest. „Dann lassen Sie uns ein Verbrechen aufklären, nur so, gegen die Langeweile“, meint sein Assistent. „Aber davon spreche ich ja. Ich überführe sämtliche kriminellen Subjekte, sie sind so leicht zu durchschauen. Mir fehlt die Herausforderung, ich bin exorbitant müde“.
Kaum hat Sherlock Holmes ausgesprochen, tritt das pralle Leben ins Leben der Ermittler, vermögende Geschäftsleute, Bettler sowie schwerbepackte Marktfrauen. Darunter Alice, Dora, Julia und Katie, vier junge und nur scheinbar naive Frauen von der Heilsarmee. Kurz darauf erscheinen Allegra-Barbesitzerin Elizabeth Moriarty und ihr Anhängsel Ruth, sie sind die Bösen. Beide geben vor sich zu unterhalten, beobachten jedoch genau, was auf der Straße passiert – sehen Lord Anderton, dem im respektvollem Abstand Florence folgt, bis sie streiten. Dann ist da noch Mary, die verunsichert die Straße entlang schleicht und ebenfalls bettelt. Ein ganz normaler Tag in London.
„Ich höre alles. Ich bin nicht nur Sherlock Holmes, ich bin Gott.“ Keiner kann dem Privatdetektiv das Wasser reichen, er weiß von Straftaten, bevor er sie gesehen hat. Doch nicht einmal Dr. Watson hätte es für möglich gehalten, dass sein Chef eines Tages doch in die Falle eines skrupellosen Gegenspielers tappt, weil ihm eine Gruppe äußerst reizvoller junger Damen die Sinne vernebelt. Es beginnt zunächst harmlos, doch dann muss Sherlock Holmes um sein Leben kämpfen.
„Toll, wie sie das in diesem kleinen Raum mit Ironie, Witz und ernsten Tönen umsetzen, es ist charmant, überhaupt nicht steif, sondern mit einer liebenswerten Leichtigkeit“, zeigt sich Jürgen von Bülow schon in der Pause ganz begeistert. Geschuldet ist dies nicht zuletzt Regisseur und Theaterleiter Sebastian Gekeler, dem es wiederum großartig gelingt, das Drehbuch des Autors mit seinen Schülerinnen und Schülern im Alter von 13 bis 17 Jahren in den jeweils passenden Rollen umzusetzen. Was für ein amüsantes Spektakel, dass mit Detailfülle und Lust am Spiel beeindruckt – man spürt, die Chemie zwischen den Mimen stimmt.
Texthänger? Mitnichten! Langeweile? Von wegen! Handgemachtes Theater, umrahmt von mehreren goldglänzenden Rettungsdecken – was kann da schon schief gehen? Doch Obacht! Einatmen, gerade sitzen, Beine einziehen, Flaschen und Handtaschen entfernen – Bahn frei für die Akteure. Und gerade der Umstand, dass einige der Darsteller die ganze Bastion für sich einnehmen, sich im wahrsten Sinne des Wortes durchkämpfen, hautnah an den Zuschauern vorbeilaufen oder sogar rennen, wie sich Sherlock Holmes und Dr. Watson dabei treppauf, treppab auch noch unterhalten, das verlangt ein großes Maß an Konzentration und Selbstbewusstsein.
Fazit: Ein Loblied auf diese aufregende junge Schauspielerriege – großes Kino mit Witz und Underdog-Charme.