Das Frühstück bleibt unangetastet, obwohl der Hund sonst kaum warten kann, bis der Napf steht. Jetzt liegt er matt auf seiner Decke, steht nur zögerlich auf. Irgendetwas stimmt nicht. Ein kurzer Anruf in der Tierarztpraxis? Die Leitung ist besetzt. Beim nächsten Versuch hebt endlich jemand ab, nur um zu sagen: „Tut mir leid, wir sind voll.“ In der Teckregion ist das längst kein Einzelfall mehr.
Wer einen Tierarzttermin braucht, braucht oft vor allem eins: Geduld. Ein Blick hinter die Kulissen zeigt: Die Überlastung vieler Praxen in der Teckregion ist kein
Ein Praxiswechsel gestaltet sich inzwischen sehr schwer.
Dr. Annette Richters
individuelles Problem, sondern das Ergebnis struktureller Veränderungen. Immer mehr Menschen haben ein Haustier. Routineuntersuchung, plötzliches Humpeln, Impfauffrischung: Die Nachfrage nach Terminen steigt, doch in den Wartezimmern der Region fehlt es an Kapazitäten. Tierärzte gehen in Rente, neue Praxen entstehen kaum, gut geschultes Personal ist rar. Auch in Kirchheim muss abgewogen werden: „Wir möchten zuverlässig für unsere Stammkundschaft da sein. Aber dafür müssen wir dann auch irgendwo eine Grenze setzen“ sagt die Kirchheimer Tierärztin Dr. Annette Richters.
Warten, Priorisieren, Absagen
Für viele Praxen ist dieser Spagat Alltag geworden. „Manchmal rufen drei Leute gleichzeitig an, während das Wartezimmer voll ist, und alle sagen: Das muss jetzt sein“, erzählt Dr. Angelika Fischer aus Weilheim. „So gern wir auch helfen würden, manchmal geht einfach nicht mehr.“ Was nach simpler Terminvergabe klingt, bedeutet in der Realität oft: Priorisieren, vertrösten, absagen. „Wenn das Wartezimmer voll ist und am Telefon die nächsten Fälle diskutiert werden, da ist der Raum dann emotional schon sehr geladen“, sagt Fischer.
Der Beruf hat sich verändert und wird für die nächste Generation zunehmend unattraktiv.
Dr. Annette Richters
Seit der Pandemie ist die Zahl der Haustiere deutlich gestiegen, insbesondere bei Hunden und Katzen. Viele Menschen entschieden sich für einen flauschigen Mitbewohner, oft sogar für ein zweites Tier. Gleichzeitig schrumpft das Angebot: „Viele Kollegen sind in Rente gegangen oder haben ihre Praxis aufgegeben. Neue entstehen kaum, und junge Tierärzte entscheiden sich nur noch selten für die Selbstständigkeit“, erklärt Richters.
Wenn das Wartezimmer voll ist und am Telefon die nächsten Fälle diskutiert werden, ist das für uns emotional sehr belastend.
Dr. Angelika Fischer
Die Gründe sind vielfältig und haben mit den Bedingungen im Beruf zu tun: hohe Verantwortung, kaum planbare Arbeitszeiten, geringe Vereinbarkeit mit Familie. Noch immer ist der Beruf stark weiblich geprägt, und unter den Berufseinsteigern machen Frauen den Großteil aus. Doch gerade sie entscheiden sich seltener für eine eigene Praxis. „Der Beruf hat sich verändert“, erklärt Annette Richters. „Und er wird für die nächste Generation zunehmend unattraktiv.“
Termine gibt es häufig nur noch für die eigene Stammkundschaft. Neue Halter oder Menschen auf der Suche nach einem Praxiswechsel stoßen oft an Grenzen. Wer bereits in einer Praxis untergekommen ist, merkt von der angespannten Lage wenig, höchstens durch längere Wartezeiten oder spätere Termine.
Wer hilft wann?
Viele Praxen überweisen häufiger als früher, etwa bei Operationen, für die Geräte oder Personal fehlen. Auch die neue Gebührenordnung für Tierärzte (GOT), die seit Ende 2022 gilt, sorgt für zusätzliche Hürden. Sie war längst überfällig, die Vorgängerversion stammte teilweise noch aus dem Jahr 1999. Durch die Anpassung sollen tiermedizinische Leistungen realistischer abgebildet und Praxen wirtschaftlich entlastet werden. Leistungen müssen seither verpflichtend zu höheren Sätzen abgerechnet werden, insbesondere im Notdienst. Für viele Halter sind die gestiegenen Kosten eine zusätzliche Belastung. Einige zögern länger, obwohl ein Besuch nötig wäre, andere suchen früh Hilfe – aus Sorge, etwas zu übersehen. „Manchmal geht das Gespür für echte Notfälle verloren“, sagt Fischer. „Aber ich verstehe ja auch, dass sich Menschen Sorgen machen.“
Wenn es dringend ist: Erste Anlaufstellen im Notfall
In akuten Fällen können sich Tierhalter täglich zwischen 8 und 22 Uhr an den tierärztlichen Notdienst im Landkreis Esslingen wenden. Alle niedergelassenen Kleintierpraxen sind verpflichtet, sich daran zu beteiligen. Unter der Telefonnummer 0 70 22/2 79 06 92 erfahren Anrufende, welche Praxis aktuell Notdienst hat. Die Verteilung der Dienste erfolgt nach einem Punktesystem: Größere Praxen mit mehr Personal und Kapazitäten übernehmen entsprechend häufiger Notdienste als kleinere Betriebe.
Außerhalb dieser Zeiten, also nachts von 22 bis 8 Uhr, ist die AniCura Kleintierklinik in Stuttgart-Plieningen dauerhaft für Notfälle zuständig. Für jeden Notdiensteinsatz wird eine gesetzlich festgelegte Notdienstpauschale von 59,00 Euro fällig. Zusätzlich gelten erhöhte Gebührensätze laut der aktuellen Gebührenordnung für Tierärzte (GOT). Bei lebensbedrohlichen Notfällen sollten Tierhalter direkt die nächstgelegene Tierklinik aufsuchen. js