In der kalten Jahreszeit wirkt die Kirchheimer Stadtbücherei mit ihrer gläsernen Fassade wie eine Insel. Hier ist es hell und warm, und jeder ist willkommen, in den Bücherregalen zu stöbern, Zeitung zu lesen oder an den Lern-Tischen die eigene Literatur auszupacken. Entsprechend bunt geht es auf den zwei Etagen der Stadtbücherei zu: Für Stammgäste, Senioren, Familien mit Kindern, Flüchtlinge und viele Schülerinnen und Schüler ist dieser Ort offensichtlich wie ein zweites Wohn- oder auch Arbeitszimmer, in dem man sich entspannen, lernen oder lesen kann.
Und die Popularität der Stadtbücherei nimmt stetig zu: 2023 wurde sie so gut genutzt wie schon lange nicht mehr. Laut der Stadt Kirchheim haben die Leserinnen und Leser 300 000 Medien vor Ort und online ausgeliehen. Mehr Entleihungen gab es zuletzt 2007.
Diese guten Zahlen hat die Stadtbücherei unter anderem jenen kleinen Figuren zu verdanken, die bei Kindern äußerst beliebt sind. „Die größte Steigerung haben mit + 46 Prozent die Tonies“, sagt die Leiterin der Bücherei Carola Abraham. Die Figuren – meistens Heldinnen und Helden wie Conni, Bibi Blocksberg, der Räuber Hotzenplotz oder das kleine Gespenst – werden zu Hause auf eine Toniebox gestellt und spielen dann Geschichten oder Lieder ab. Aufgrund der hohen Nachfrage hat die Stadtbücherei inzwischen über 450 Figuren im Angebot. „Im Regal liegen allerdings selten mehr als ein halbes Dutzend“, sagt Abraham augenzwinkernd.
Aber auch bei den Kinderbüchern und den Romanen und Sachbüchern für Erwachsene liegen die Steigerungen mit + 13 Prozent und + 17 Prozent im zweistelligen Bereich. Die Digitalisierung zeige sich auch in den Ausleihzahlen der Bücherei. „27 Prozent der Ausleihen im vergangenen Jahr sind online getätigt worden“, sagt Abraham. Die starke Steigerung aus den Corona-Jahren sei stabil geblieben. „Das heißt: Wer die bequeme digitale Ausleihe von zu Hause aus in der Corona-Zeit getestet hat, ist dabeigeblieben.“

Die Popularität der Stadtbücherei schiebt Abraham aber auch auf bauliche Veränderungen, auf das Ende der Pandemie und auf die Inflation. „Die Kinderbücherei wurde in der Corona-Zeit renoviert und hat eine tolle, einladende Atmosphäre“, sagt sie. 2023 sei das erste Jahr nach Corona gewesen, in dem die Stadtbücherei wieder das volle Veranstaltungsprogramm und Führungen für Schulklassen anbieten konnte. „So kommen die Menschen ins Haus und entdecken unsere Angebote.“ Gleichzeitig würden gedruckte Bücher immer teurer, und die Ausleihe in der Bücherei sei nachhaltig und spare Kosten und Platz im heimischen Bücherregal.
Auch die Zahl der aktiven Leserinnen und Leser ist nach Angaben der Stadtbücherei von circa 5200 im Jahr 2022 auf über 6000 angestiegen. „Das entspricht einem Zuwachs von 15 Prozent“, sagt Carola Abraham. Den höchsten Anteil hätten Kinder bis zum Alter von zehn Jahren, aber die Altersspanne erstrecke sich bis auf über 80-Jährige. Als Aufenthaltsort sei die Bücherei durch alle Altersgruppen hinweg beliebt. 400 bis 500 Besucher werden an Öffnungstagen in dem Gebäude in der Max-Eyth-Straße durchschnittlich gezählt.
Dass die Stadtbücherei eine sogenannte konsumfreie Zone ist, trägt in den Augen von Carola Abraham stark zu ihrer Beliebtheit bei. „Es gibt wenige Orte in der Stadt, an denen man sich beispielsweise bei schlechtem Wetter aufhalten kann, ohne Geld auszugeben“, sagt sie. Jugendliche kämen in die Bibliothek, um sich mit Freunden zum gemeinsamen Lernen zu treffen. „Senioren lesen hier Zeitung oder nutzen die Computer, um etwas auszudrucken.“ Das gehe auch ohne Büchereiausweis. Die Stadtbücherei sei für alle Bevölkerungsgruppen offen zugänglich und ermögliche damit niedrigschwelligen Zugang zu Bildung. „Sie ist ein Treffpunkt für die Stadtgesellschaft“, so Abraham.
Sollte die Stadtbücherei sonntags geöffnet sein?
Der Deutsche Städtetag hat kürzlich gefordert, Kommunen die Möglichkeit zu geben, öffentliche Bibliotheken in Deutschland auch sonntags zu öffnen. Da Bibliotheken die am stärksten genutzten Kultur- und Bildungseinrichtungen in Deutschland seien, findet die Leiterin der Kirchheimer Stadtbücherei Carola Abraham diese Forderung naheliegend. „Ob es in der jeweiligen Kommune sinnvoll ist, ist von der finanziellen und personellen Situation, dem lokalen Umfeld und der Besucherfrequenz sonntags in der Innenstadt abhängig“, sagt sie. In Kirchheim sei die Stadt samstags voller Menschen. „Wir haben in drei Öffnungsstunden 300 bis 400 Besucher“, sagt Abraham. Sonntags sei es in Kirchheim ruhig. „Ich halte eine Sonntagsöffnung der Stadtbücherei deshalb nicht für sinnvoll.“ adö