Kirchheim
Too Good To Go: Mit einem Wisch Essen retten

Umweltschutz Kirchheimer Betriebe bewahren überschüssige Lebensmittel vor der Tonne und bieten sie in der App „Too Good To Go“ vergünstigt zum Kauf an. Von Jule Störk

Die Entscheidung muss schnell fallen. „3, 2, 1“ – und es ist meins. In der App „Too Good To Go“ konnte ich  mir eine „Überraschungstüte“ mit Lebensmitteln sichern, die sonst in der Tonne gelandet wären. Eine Gemüse-Tüte war noch verfügbar, die Letzte. Was genau mich beim Einsammeln erwartet, weiß ich noch nicht. Jetzt heißt es abwarten bis zur vorgegebenen Abholzeit.

„Deine Bestellung ist bereit zur Abholung!“, verkündet die App pünktlich, günstiger Weise stehe ich schon vor dem türkischen Lebensmittelgeschäft. Beim Reinlaufen erkenne ich bereits die prall gefüllten Tüten – und die Verkäuferin erkennt mich, mit Handy in der Hand die Tüten ansteuernd. Ich öffne die Bestellbestätigung und Aysen Adiyaman, die Mutter des Inhabers des Selin Markets, schaut mir beim swipen – also wischen – in der App zu. Damit bestätige ich, dass ich da bin und die „Überraschungstüte“ entgegen nehme. Sie ist froh, eine Abnehmerin für das Gemüse zu finden. „Wir schmeißen nichts weg. Was morgen nicht mehr verkauft werden kann, stellen wir in der App zur Verfügung, verschenken es an die Reinigungskräfte oder nehmen es selbst mit nach Hause“, erzählt sie. Zum Glück hab ich eine große Tasche dabei, die „Überraschungstüten“ sind randvoll und ich hab etwas Angst, dass die Verpackung die Heimreise nicht übersteht. Jede Menge Paprika, Auberginen, Salatherzen, Tomaten aber auch noch zwei Blutorangen und Trauben erwarten mich für drei Euro. Ein Drittel des Originalpreises, laut „Too Good To Go“. Bezahlt habe ich bereits in der App, muss also nur noch alles sorgsam verpacken.

„Überraschungstüte“ per App

Zwischen Kirchheim, Weilheim und den Bürgerseen nehmen etwa ein Dutzend Betriebe teil. Bäckereien, Gaststätten, Tankstellen und Lebensmittelläden – sie alle werfen ihre Überreste in den Topf. Grobe Kategorien wie Gemüse, Fleischwaren oder Backwaren werden gegeben, der genaue Inhalt eröffnet sich aber erst bei der Abholung. Per App wird die „Überraschungstüte“ reserviert und direkt bezahlt.

Bereits auf dem Heimweg überlege ich, was ich mit all dem Gemüse anfange. Die Mengen in den Tüten eignen sich hervorragend für Mehrpersonenhaushalte, für Einzelpersonen wird es schon schwieriger, alles vor Verderb zu essen und zu vermeiden, dass die Lebensmittel am Ende in der eigenen Bio-Tonne landen. Ich entscheide mich für Gemüse-Soße mit Nudeln, die dann am Abend auch tatsächlich für vier Personen reicht. Aus der täglichen Frage „Was esse ich heute?“ wird „Was koche ich dann damit?“, im Alltag für mich eine willkommene Abwechslung. Frei nach dem Motto „Gegessen wird, was auf den Tisch kommt“.

Für spontane Einkäufe ist die App momentan noch nicht geeignet. Die geringe Zahl an teilnehmenden Unternehmen grenzt die Menge der Angebote ein – und die gehen weg wie heiße Semmeln. Innerhalb weniger Minuten sind die Tüten beliebter Betriebe ausverkauft. Raum für langwierige Entscheidungen gibt es selten. Die vorgegebenen Abholzeiten schwanken zwischen 15 Minuten und drei Stunden. Das schränkt die Möglichkeiten natürlich ein.

Es sind noch Obst-Tüten verfügbar, meldet die App nach meinem erfolgreichen „Wisch“. Obwohl ein Obst-Salat jetzt nicht schlecht klingt, verzichte ich. Die geretteten Güter sind zwar immer alle noch genießbar, ihre besten Tage liegen aber oft schon hinter ihnen und sie sollten möglichst schnell gegessen oder weiterverarbeitet werden.

Für die meisten Betriebe ist Nachhaltigkeit der Hauptgrund, die App zu nutzen. „Es ist wichtig, Lebensmittel und den Aufwand und die Arbeitskraft, die in ihre Produktion geht, wertzuschätzen“, sagt Aysen Adiyaman.

Info Die App „Too Good To Go“ ist im App Store, bei Google Play oder der Huawei Appgallery kostenlos zum Download verfügbar.