Mehr als 40 Jahre lang galt in Deutschland das Transsexuellengesetz. Ab November wird dieses durch das Selbstbestimmungsgesetz abgelöst. Damit soll die Änderung von Geschlechtseinträgen und Vornamen in amtlichen Urkunden künftig leichter ablaufen als bisher. Trans-, intergeschlechtliche und nichtbinäre Menschen, die ihren Geschlechtseintrag ändern lassen möchten, müssen dies nun drei Monate vorher beim Standesamt anmelden. Möglich ist das bereits seit dem 1. August dieses Jahres.
Mit dem neuen Gesetz entfällt ein bei vielen Betroffenen als entwürdigend und belastend empfundenes, langwieriges Prozedere: Denn laut dem Transsexuellengesetz von 1981, das das Bundesverfassungsgericht für verfassungswidrig erklärte, waren für die Änderung des Geschlechtseintrags zwei Gutachten von zwei unterschiedlichen Sachverständigen notwendig; die endgültige Entscheidung traf ein Gericht. Künftig reicht die Abgabe einer „Erklärung mit Eigenversicherung“ der betroffenen Person beim Standesamt aus.
In der Region rund um die Teck ist das Interesse an einer Änderung des Geschlechtseintrags und Vornamens nach dem neuen Gesetz bisher eher verhalten. Das zumindest ergab eine Nachfrage des Teckboten bei unterschiedlichen Standesämtern. Bei der Stadt Weilheim beispielsweise hat sich bislang eine Person angemeldet, wie Sina Schmid vom dortigen Standesamt informiert. Sie rechnet auch in den kommenden Monaten nur mit „vereinzelten Anfragen“: „Ein Riesen-Ansturm würde mich überraschen“. Doreen Edel, Pressesprecherin der Stadt Kirchheim, möchte keine genaue Zahl nennen, betont aber, dass das Thema im Standesamt der Teckstadt durchaus „eine Rolle spielt“ – obwohl sich bisher nur wenige Menschen angemeldet hätten. Angaben zu Geschlecht und Alter dieser Personen könne sie deshalb nicht machen. Im Lenninger Standesamt ist das Thema indes noch gar nicht aufgeschlagen: „Das Selbstbestimmungsgesetz spielt in Lenningen noch keine Rolle. Eventuell ist die Nachfrage eher bei größeren Städten vorhanden“, schreibt Silvia Ruoff.
Der Leidensdruck bezieht sich nicht nur auf die Namensänderung.
Martin Steinert aus Hattenhofen
Und wie reagieren Betroffene auf die Gesetzesänderung? Martin Steinert aus Hattenhofen, der früher Martina hieß und dessen Weg zur Geschlechtsumwandlung im Jahr 2000 begann, ist kein Befürworter des neuen Gesetzes, wie er betont. „Natürlich ist der Wunsch nach einer Namensänderung am Anfang sehr groß. Doch der Leidensdruck bezieht sich nicht nur auf die Personenstands- und Namensänderung“, gibt er zu bedenken. „Die meisten möchten sich auch äußerlich dem Inneren angleichen.“ Sprich: Sie möchten operative Maßnahmen vornehmen lassen, um zum Mann oder zur Frau zu werden. Und für diese Operationen seien nach wie vor besagte Gutachten durch Sachverständige und psychotherapeutische Begleitung notwendig.
Auch er selbst musste diesen langen und schweren Weg gehen: „Es war sehr hart. Für das Zweitgutachten wurden mir auch Fragen unter der Gürtellinie gestellt, zum Beispiel ob ich männliche Unterhosen trage“, blickt der heute 46-Jährige zurück. „Man hat keinen Einfluss darauf, welcher Psychotherapeut dieses Zweitgutachten macht, und wird einfach zu einem Termin geladen. In einer Stunde wird man dann durchlöchert und begutachtet, ohne dass der Therapeut einen kennt“, beschreibt Steinert diese Situation. „In dieser Stunde wurde auf ganz intime Details eingegangen. Es war erniedrigend.“
Was aber das Schlimmste sei: Um operative Maßnahmen vornehmen lassen zu können, benötige man die Diagnose „F64 – Störungen der Geschlechtsidentität“. Man werde also als krank eingestuft, obwohl man dies nicht sei.
Für die Zukunft würde er sich wünschen, dass das Zweitgutachten abgeschafft wird, denn dieses „geht zu weit“. Außerdem sollten nicht nur therapeutische Beratungstermine als notwendig erachtet werden, sondern auch ein Austausch mit Betroffenen, die „sich auf diesem Weg befinden oder ihn bereits gegangen sind“. Denn sie könnten sich viel stärker in die Person einfühlen. „Die Therapeuten sind noch nie in dieser Situation gesteckt und kennen das Gefühl überhaupt nicht“, sagt Steinert. Auch Jugendliche ab 14 Jahren, die laut dem Selbstbestimmungsgesetz mit Zustimmung ihrer Eltern ihr Geschlecht und ihren Vornamen ebenfalls ändern lassen können, könnten so besser aufgeklärt und vielleicht auch vor einem Schnellschuss bewahrt werden.