Kirchheim
Trotz Fachkräftemangel: Warum darf Paata nicht arbeiten?

Pflege Leute wie er werden händeringend gesucht: Der Georgier Paata Bazandarashvili ist Altenpflegehelfer, bekommt aber keine Arbeitserlaubnis. Von Rainer Kellmayer

Das Thema birgt sozialen Sprengstoff: In Deutschland herrscht ein akuter Pflegenotstand. Schon heute fehlt es allerorten an Pflegekräften, und nach aktuellen Hochrechnungen wird sich die Situation weiter verschärfen: Im Jahr 2030 werden mehr als 180 000 Pflegekräfte fehlen. Auch die Heime in unserer Region leiden unter dem Personalengpass. „Ohne ausländische Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter könnten wir unseren Betrieb nicht aufrechterhalten“, sagt Jasmina Baltic, Pflegedienstleiterin bei der Wohngemeinschaft für Senioren (WGfS), die in
 

Man fühlt sich wie in einem Hamsterrad. Man fängt ständig von vorne an.
Jasmina Baltic
Pflegedienstleiterin bei der Wohngemeinschaft für Senioren in Filderstadt

 

Filderstadt drei Altenheime unterhält und darüber hinaus ein breites Betreuungsspektrum für betagte Menschen anbietet.

Ähnliche Erfahrungen hat auch Thilo Naujoks gemacht, der als Geschäftsführer für die Städtischen Pflegeheime in Esslingen zuständig ist: „Zeitweise konnten wir wegen Personalmangels nicht alle Pflegeplätze belegen.“ Momentan hätte sich die Situation zwar etwas entspannt. Doch Naujoks fragt sich, wie die erhöhten Anforderungen der neuen Personalbemessung für vollstationäre Pflegeeinrichtungen, die im Juli 2023 in Kraft treten, unter den aktuellen Bedingungen erfüllt werden können.

Angesichts der prekären Situation mutet der Fall des aus Georgien stammenden Altenpflegehelfers Paata Bazandarashvili geradezu grotesk an. Vor zwei Jahren kam der heute 23-Jährige nach Deutschland. Zunächst absolvierte er bei der WGfS in Filderstadt ein Freiwilliges Soziales Jahr. „Die Arbeit mit den alten Menschen hat mir von Anfang an großen Spaß gemacht“, erzählt Bazandarashvili begeistert. Seine fürsorgliche, den betagten Menschen zugewandte Art wurde allseits geschätzt. Gerne nahm der Georgier das Angebot an, bei der WGfS eine Ausbildung zum Altenpflegehelfer aufzunehmen, die er inzwischen erfolgreich abgeschlossen hat.

Da Paata Bazandarashvili gerne in seinem erlernten Beruf bei der WGfS weiterarbeiten möchte, reichte er kürzlich bei der Ausländerbehörde die erforderlichen Unterlagen zum Erhalt einer Arbeitserlaubnis ein. Diese wurde ihm zunächst auch in Aussicht gestellt. Umso größer war der Schock, als er nach einer weiteren Prüfung durch die Bundesagentur für Arbeit einen abschlägigen Bescheid erhielt mit der Begründung, Altenpflegehelfer würde nicht als qualifizierte Ausbildung angesehen.

Über ähnliche Probleme mit den Behörden berichtet auch die in Stuttgart ansässige Evangelische Heimstiftung, die Träger des Johanniterstifts in Plochingen ist. „Oft werden Arbeitserlaubnisse erst viele Wochen nach der Antragsstellung und nur nach hartnäckigem Nachfragen erteilt“, schildert der Hauptgeschäftsführer der Heimstiftung, Bernhard Schneider, die unbefriedigende Situation. Die Ämter müssten lernen, nicht den Vorgang, sondern den Menschen in den Mittelpunkt zu stellen.

Über die Jahre hat die WGfS durch bürokratische Hürden viele Helferinnen und Helfer verloren, berichtet Jasmina Baltic. Deutlich ist ihr Frust zu spüren: „Man fühlt sich wie in einem Hamsterrad. Wir bilden aus, und dann erhalten unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter keine Arbeitserlaubnis.“ Dabei seien die Altenpflegehelfer, die stets im Tandem mit einer examinierten Altenpflegekraft arbeiten, sehr wichtig. „Wir brauchen auch dringend Mitarbeiter, die einfachere Tätigkeiten ausführen, wie Essen geben oder die Bewohner zu waschen.“

Für Paata Bazandarashvili, der sehr gut Deutsch spricht, tickt die Uhr: Nach aktuellem Stand darf er nur noch bis Mitte März in Filderstadt arbeiten. Der junge Mann wirkt sehr unglücklich: „Ich stehe ständig unter Strom. Da ich meinen Beruf und die Arbeit mit den Menschen liebe, möchte ich bei der WGfS weiterarbeiten.“ Auch die von ihm Betreuten sind geschockt von der Nachricht, dass sie „ihr Paata“ vielleicht bald nicht mehr versorgen kann. Die alten Menschen wollen protestieren: „Wir lassen ihn nicht gehen.“

Zur Unterstützung von Paata Bazandarashvili wurde auch ein Video ins Netz gestellt. Darin sagt Rosemarie Amos-Ziegler, die Geschäftsführerin der WGfS: „Die aktuelle Situation ist eine Katastrophe. Wir brauchen andere Gesetze, damit Menschen wie Paata nach der Ausbildung hierbleiben können und nicht wieder nach Hause geschickt werden.“