Schweiß und Tränen vergossen mit Sicherheit einige Investorinnen und Investoren beim Check der Börsenkurse in den vergangenen drei Monaten. Denn während Trump munter Zölle gegen nahezu alles und jeden verhängte, bangten Anlegerinnen und Anleger auf der ganzen Welt um ihr Geld.
Das Geld sucht sich gerade neue Favoriten.
Martin Turetschek, Diplom-Verwaltungswirt und Sprecher der Kreissparkasse Esslingen-Nürtingen
Wie ein Sprecher der Kreissparkasse Esslingen-Nürtingen, Diplom-Verwaltungswirt Martin Turetschek, berichtet, schickten die Zollankündigungen des US-Präsidenten die Marktkurse nach einem angenehmen Start in das Börsenjahr bereits ab Mitte Februar „auf Talfahrt“.
So verlor der Dax nach seinem Allzeithoch Mitte März knapp 16 Prozent, der S&P 500-Index musste seit seinem Hoch im Februar fast 19 Prozent verbüßen und auch Dow Jones (-16 Prozent) und Nasdaq (-23 Prozent) legten einen Sturzflug hin.
Hektisches Handeln vermeiden
Das ist natürlich nicht verwunderlich: Aufgrund der enormen Verunsicherung, die das Marktfeld prägte – und weiterhin prägt – entschieden sich viele Investoren für den Verkauf ihrer Risikoanlagen und nahmen eine defensivere Positionierung ein. Genau davon rät Martin Turetschek Anlegern allerdings ab: „Es ist nicht sinnvoll, im Vorgriff auf eine vermeintlich kommende Wirtschaftskrise Aktien oder andere Vermögenswerte zu verkaufen.“
Auch Norbert Brendel, Prokurist und Leiter im Bereich Private Banking bei der Volksbank Mittlerer Neckar, warnt vor hektischem Handeln als Reaktion auf die sich laufend ändernde Informationslage. Zu beachten seien immer die eigenen Anlagestrategien und -ziele. Wie Investoren sich jetzt verhalten sollten, hänge daher unter anderem sehr stark vom individuellen Anlagehorizont, der Risikobereitschaft und der Renditeerwartung ab.
Eine allgemeingültige Antwort gibt es auf die Frage nach dem richtigen Handeln also nicht. In Schwächephasen unter Anwendung eines Investitionsplans kontinuierlich zuzukaufen, werde Norbert Brendel zufolge auf Dauer aber meistens belohnt. Martin Turetscheks Tipp: „eine ausgewogene Vermögensallokation“, sprich: Anleger sollten nicht alles auf eine Karte setzen, sondern lieber in unterschiedliche Anlageklassen investieren.
Fokus auf den Binnenmarkt
Doch wie sieht es nun konkret aus? Wo kann möglichst risikoarm investiert werden? „Das Geld sucht sich gerade neue Favoriten“, stellt Martin Turetschek voraus. Aktuell stabiler seien Sektoren und Regionen, die weniger stark von den „Zollturbulenzen“ betroffen sind, also vor allem Binnenmarkt-fokussierte Regionen und Firmen, wie Telekommunikations- und Versorgungsunternehmen, aber auch produzierende Unternehmen, die hauptsächlich den Binnenmarkt bedienen.
Nicht nur die Zollpolitik, sondern auch die innen- und außenpolitischen Entscheidungen der US-Regierung untergraben das Vertrauen in die USA.
Martin Turetschek, Diplom-Verwaltungswirt und Sprecher der Kreissparkasse Esslingen-Nürtingen
Dass Sparpläne in globale Aktien-ETFs und Aktienfonds eine sinnvolle Strategie für den Vermögensaufbau sind, ändert sich Norbert Brendel zufolge auch durch „einzelne politische Unwägbarkeiten“ nicht. Ideal sei es, wenn der Fond oder der ETF auf veränderte Rahmenbedingungen reagieren und die Gewichtung entsprechend anpassen könne.
Bei Neuanlagen in breite Aktienportfolios rät Martin Turetschek aktuell dazu, das US-Gewicht zu reduzieren und Europa mehr Bedeutung beizumessen. „Nicht nur die Zollpolitik, sondern auch die innen- und außenpolitischen Entscheidungen der US-Regierung untergraben das Vertrauen in die USA“, so Turetschek. „In diesem Umfeld erscheint eine Underperformance von US-Aktien aber auch des US-Dollars weiterhin das wahrscheinlichste Szenario für die kommenden Monate.“
Wie der Diplom-Verwaltungswirt erklärt, dürften Erholungsphasen bei US-Anlagen zeitnah als Verkaufsgelegenheit wahrgenommen werden. Neuinvestitionen sollten daher breit diversifiziert in die Schwächephasen hinein erfolgen.
Einen Favoritenwechsel gibt es Turetschek zufolge auch im Bereich der Schwellenländer, die von Anlegern jüngst mehr Beachtung bekommen: Es geht „weg aus dem Speckgürtel von China in Richtung Lateinamerika“.
Ist der Goldkauf aktuell ratsam?
Doch welche Alternativen gibt es zu aktienbasierten Anlagen? Wie Martin Turetschek berichtet, gewannen sowohl Staatsanleihen von finanziell stabilen Ländern als auch Gold in den vergangenen Monaten als „vermeintlich sichere Häfen“ an Popularität.
Obwohl diese Anlageformen langfristig nicht dieselbe Rendite erreichen wie eine Investition in weltweit gestreute Aktien, kann es laut Turetschek sinnvoll sein, diese in ein Portfolio zu integrieren, um Kursschwankungen auszugleichen und in Phasen hoher Unsicherheit besser aufgestellt zu sein. Im Hinblick auf Gold als Geldanlage empfiehlt auch Norbert Brendel, immer wieder zuzukaufen: „Langfristig ist Gold mit einer Gewichtung von fünf bis zehn Prozent am Gesamtvermögen gut positioniert.“
Zuschlagen sollten Anleger insbesondere in schwachen Marktphasen des Goldes. Da der der Preis für das Edelmetall aufgrund der aktuellen politischen und wirtschaftlichen Entwicklungen in der jüngeren Vergangenheit historische Höchststände erreicht hat, ist es demnach empfehlenswert, sich mit großen Goldkäufen vorerst zurückzuhalten.
Wie geht es nun weiter?
Trotz des massiven Einbruchs Anfang April konnte der DAX den Monat mit einem Plus abschließen. Für die US-Börsen sieht es nicht ganz so rosig aus: Obwohl sich die Märkte in der zweiten Monatshälfte zum Teil erholten, bleiben die Jahresverluste bestehen. Sorgen um weitere Zölle trüben weltweit die Stimmung – die Unsicherheit ist noch immer groß. „Der amerikanische Präsident ist unkalkulierbar, und daher ist alles möglich“, gibt Martin Turetschek zu bedenken. Er vermutet jedoch, dass Trump weiterhin extreme Forderungen stellen und später einen „Deal“ machen werde.
„Inwieweit sich der aktuelle Konflikt zu einem umfassenden Handelskrieg ausweitet, hängt stark von der nun beginnenden Verhandlungsphase ab“, schätzt der Kreissparkassen-Sprecher. Doch selbst wenn es gelinge, die Zölle zu reduzieren, müsse von langfristigen Konsequenzen ausgegangen werden. Norbert Brendel spricht in diesem Kontext von einer Verschiebung der globalen Warenströme – schließlich gelte es für die Unternehmen jetzt, zu prüfen, wo profitabel produziert werden könne.
Martin Turetschek fügt hinzu, dass künftig mit höheren Wirtschaftshemmnissen und dadurch auch höheren wirtschaftlichen Risiken zu rechnen sei. Die US-Konjunktur könne nun stärker abkühlen als bislang erwartet. „Gleichermaßen steigt die Gefahr, dass sich das weltwirtschaftliche Wachstum insgesamt abschwächt.“
Die „Zollturbulenzen“: ein Überblick
Anfang Februar unterzeichnet Donald Trump ein Dekret zur Einführung von Zöllen in Höhe von zehn Prozent auf chinesische und 25 Prozent auf kanadische sowie mexikanische Importe. Für Kanada und Mexico werden die Zölle einen Monat aufgeschoben. China verhängt Gegenzölle.
Ab dem 4. März fallen zusätzliche zehn Prozent auf Importe aus China an. Das Land reagiert mit weiteren Gegenzöllen.
Ab dem 12. März treten Einfuhrzölle für Stahl und Aluminium in Höhe von 25 Prozent in Kraft.
Donald Trump erklärt den 2. April zum „Liberation Day“: Ab dem 5. April treten Zölle in Höhe von zehn Prozent auf alle Importe in Kraft. Für Nationen mit Handelsüberschüssen fallen ab dem 9. April sogar noch höhere Tarife an. Trump spricht von „wechselseitigen“ Zöllen.
Am 3. April werden 25-prozentige Einführzölle auf alle Autoimporte wirksam.
China und die USA liefern sich einen wirtschaftlichen Schlagabtausch, der mit Zöllen in Höhe von 145 Prozent auf chinesische Importe und Zöllen in Höhe von 125 Prozent auf US-Importe endet.
Ebenfalls Anfang April verkündet Trump eine 90-tätige Pause der „wechselseitigen“ Zölle – China ausgenommen.
Am 12. April macht Trump bekannt, gewisse elektronische Geräte seien von den „wechselseitigen“ Zöllen ausgenommen. Für solche Produkte fallen für China dennoch 20-prozentige Zölle an.
Ende April unterzeichnet Trump ein Dekret mit Zollerleichterungen für Autobauer.