Es war die Frage, wegen der wohl die meisten der rund 1000 Gäste in das Esslinger Neckar Forum gekommen waren: Passt Sarkasmus à la Harald Schmidt immer noch in die Zeit? Oder würde „Dirty Harry“ heute von einem Shitstorm hinweggefegt? Der Entertainer selbst hatte sie für sich schon vor knapp zehn Jahren beantwortet und damals seine Fernsehkarriere beendet.
Das Format Schmidt.Schoog.Schampus, mit dem der gebürtige Nürtinger zum 175-jährigen Jubiläum der Kreissparkasse Esslingen-Nürtingen und zum 50-jährigen des Landkreises nach Esslingen gekommen ist, wird dann auch eher eine fast zweistündige Plauderrunde, in der Schmidt – intelligent und charmant von Moderatorin Bernadette Schoog befragt – überaus unterhaltsame Anekdoten aus seinem ereignisreichen Fernseh- und Privatleben erzählt.
Wie man Themen für eine Talkshow findet? Dazu bringt der 65-Jährige gleich zwei brandheiße Meldungen mit: 25 Prozent der deutschen Männer ziehen nicht täglich eine frische Unterhose an und von Beethovens Haarlocke wurde die DNA analysiert. Dann ein echter Schmidt: „Beethoven wurde ja der Dunkle genannt“ – und schon schlägt er einen Bogen zu Roberto Blanco und etwaigen Verwandtschaftsverhältnissen. „Beide haben ja eine ähnliche Musik gemacht.“ Rassistisch, sarkastisch? „Daraus können Sie 20 Minuten für die Bühne machen“, stellt er sein Hauptkriterium fest. Das ständige Beobachten, ob etwas für eine Pointe reichen könnte, gehört bis heute zu seinem Leben. Er kann eben nicht anders, gesteht er dem Publikum. Wenn sich seine Kinder im Auto über den Vater beschweren, weil der einen Asiaten imitiert, der gerade über den Zebrastreifen geht – „Papa, das ist rassistisch“ – antwortet Schmidt Senior: „Wisst ihr eigentlich, wovon wir leben und wer eure beheizten Windeln finanziert?“
Fünf Kinder hat die TV-Legende offiziell und eine uneheliche Tochter in Nigeria, wie er „exklusiv“ verrät. „Das gehört sich heute so, laut Wikipedia-Eintrag.“ Neben aller Ironie bringt der Wahlkölner Schmidt auch immer wieder seine ehrliche Verbundenheit beim Esslinger Heimspiel ein: Die legendäre Sendung über den Nürtinger Bahnhof gehört zu den erfolgreichsten seiner Karriere, und die fehlende Coolness im Schwäbischen bewundert er sogar: „In Neuffen wurde ich mal eingeladen: Kommscht uffn Drink? – Das war dann ein Most.“
Überhaupt die Heimat: Auf 58 Quadratmetern habe er mit Eltern, Bruder und der Oma in Nürtingen gewohnt. „Je öfter man es erzählt, umso kleiner wird die Wohnung und mehr Leute werden es.“ Der fünfjährige Harald wollte Priester werden, ließ sich aber vom Zölibat abschrecken. Vielleicht etwas voreilig: „Gottschalk sagte mal zu mir, wir hätten Kardinal werden sollen, derselbe Lebenswandel wie vorher, aber stressfreier.“ Der Stammtisch, der heute vom Verfassungsschutz beobachtet würde oder die Bezeichnung Amihur’ für Frauen, die sich mit Amerikanern einlassen oder sich einfach nur schminken – das hat seine Kindheit geprägt, und seinen Werdegang. „Ich wusste damals nicht, dass ich bei der Sparkasse Esslingen enden werde.“ Wenn er die Namen seiner Assistentin Michelle Hunziker vergessen würde, könnte er auch Samstagabend machen – ein Seitenhieb auf den sieben Jahre älteren Thomas Gottschalk.
Dabei hat auch Harald Schmidt einige Hänger, manchmal muss Bernadette Schoog ihn wieder auf die Spur bringen. „Hätte ich einen Faden gehabt, hätte ich ihn verloren“, kokettiert er mit seiner leichten Zerstreutheit. Seine Imitation einer Schlafapnoe alter Männer gehört zu den großen Lachern: „Nur hohe ethische Standards halten die Frau davon ab, ihrem Gatten ein Kopfkissen auf das Gesicht zu drücken.“
Kreuzfahrt für alle
Zum Ende läuft Schmidt zur Hochform auf, als Bernadette Schoog ihn gedanklich an Bord des Traumschiffs holt. „Das Robert-Koch-Institut müsste dort am Buffet forschen“, fordert er und erzählt vom tattrigen Kreuzfahrer, der beim Versuch, den Fisch auf den Tortenheber zu bekommen, mit drei Fingern durch die Soße fährt. Krank sollte man an Bord nicht werden, sagt der bekennende Hypochonder: „Der Schiffsarzt hat Ibuprofen und Paracetamol.“ Vor längeren Seepassagen hat er schon den Satz gehört: „Der Darmverschluss sitzt zum Glück im Flieger.“
Sein Fazit lautet – da ist Zyniker Dirty Harry wohl doch altersmilde geworden: „Die Bundesregierung sollte jedem Bürger eine Schiffsreise um die Welt spendieren. Danach kann sie sagen: Jetzt hast du alles gesehen und sag mir mal, wo es besser läuft.“ Es folgt der wohl stärkste Applaus des Abends.