Kirchheim
Und wieder beutelt  Corona die Gastronomie

Wirtschaft   Gastgewerbe und Veranstaltungsbranche leiden im zweiten Winter in Folge unter den Einschränkungen, die ihnen die Pandemie auferlegt. Die aktuellen Regeln ändern sich so schnell wie das Wetter.  Von Andreas Volz

Sie fürchten mittlerweile um ihre Existenz: Stellvertretend für ihre gesamte Branche berichten die Kirchheimer Gastronomen Robert Ruthenberg (Waldhorn) und Michael Holz (3 K) über ihre Schwierigkeiten mit den jeweils gültigen Pandemie-Regeln. Das Problem ist nicht, dass sie diese Regeln nicht einhalten wollten. Sie fühlen sich viel eher in die Geschichte von Hase und Igel versetzt: Wann immer sie als „Hase“ den neuesten Regeln nachjagen, um diese auch ja einhalten zu können, steht plötzlich der „Igel“ in Form der allerneuesten Regel da und sagt: „Ich bin schon da und gelte ab sofort.“

Ein konkretes Beispiel: Als Betreiber des Kirchheimer Stadtkinos hatte Michael Holz seit langer Zeit den Release-Gig der Band „The Last Bash“ geplant: „Die Jungs haben eine CD herausgebracht, sie haben geprobt, sie haben Plakate geklebt, eine Anlage gemietet und alles aufgebaut. Wir haben sogar ein Testzentrum am Eingang organisiert.“

Das alles erzählt er am Freitagmittag. Abends soll das Konzert losgehen, bei dem auch noch eine Vorband auftritt. „Ich weiß jetzt aber noch nicht, welche Regeln heute Abend gelten. Diese Kurzfristigkeit geht mir ziemlich auf die Nerven.“ Vielleicht müsse er schon frühzeitig verkünden, dass es nach Mitternacht keine Zugabe mehr gibt. „Aber woher soll ich das denn so genau wissen? Was gilt wirklich? Wer sagt mir das?“

Das ist in der gesamten Gastronomie eine Schwierigkeit, sagt Michael Holz: „Wir müssen ja viel besser informiert sein als unsere Kunden. Wer zu uns kommt, fragt doch uns, welche Regeln gelten.“ Aber die Wirte können sich selbst nur im Nebel vorwärtstasten. Robert Ruthenberg liefert das nächste Beispiel: „Ich habe gerade Tests im Internet gekauft. Die Preise haben sich vervielfacht. Gekauft habe ich die Tests einfach mal so – auf Verdacht. Ich weiß ja noch nicht einmal, ob ich die überhaupt verwenden darf.“

 

„Wir befinden uns im freien Fall. Wir haben ein massives Existenzproblem.
Michael Holz
über die Lage der Gastronomen


Ein Spontananruf, den Michael Holz in Sachen Testpreise tätigt, ergibt: Nasenabstrichtests kosten 5,49 Euro netto. Eine Bestellung von tausend Stück ergäbe also einen Nettopreis von 5 490 Euro. Kosten, die der Gastronom einerseits vorschießen müsste, die er aber andererseits über seinen Umsatz wieder hereinholen muss – ohne dass er deswegen zusätzlichen Umsatz zu erwarten hat.

Preise erhöhen oder eine Art Eintrittsgebühr erheben? Die Kunden machen sowieso schon sehr viel mit. Sie sind geimpft oder genesen, sie bringen einen digitalen Nachweis mit, weil das Impfbüchlein nicht mehr ausreicht, sie zücken ihren Personalausweis und zeigen gegebenenfalls noch die Bescheinigung über ein negatives Testergebnis. Aber irgendwann ist auch damit Schluss.

Sarkastisch sagen Michael Holz und Robert Ruthenberg: „Wir sind ja schon Kontrolleure und Hilfspolizisten. Jetzt warten wir nur noch auf die Leibesvisitation  – oder darauf, dass unsere Gäste ein polizeiliches Führungszeugnis und eine steuerliche Unbedenklichkeitsbescheinigung vorzeigen müssen.“ Von ihrer Arbeit haben sie ganz andere Vorstellungen: „Wir wollen Gastgeber sein. Wir haben eine Willkomenskultur, dafür gibt es extra Kurse.“

Ohnehin bleiben die Gäste zunehmend aus, wie Michael Holz berichtet: „Wenn schon der Bundespräsident sagt, man soll Kontakte vermeiden und deshalb besser auf den Restaurantbesuch verzichten, was sollen wir dann noch machen?“ Weihnachtsfeiern seien allesamt abgesagt, was nicht nur die Gastronomie betrifft, sondern auch die Caterer. Robert Ruthenberg ergänzt: „Wenn Tische für zehn bis 15 Personen reserviert werden, sind wir froh, wenn wenigstens die Hälfte kommt. Und wie soll man noch einen Mittagstisch anbieten können, wenn dann nur zwei Gäste kommen?“

Hohe Umsatzeinbußen

Seine beheizbaren Außenflächen will er den ganzen Winter über zur Verfügung stellen – solange es die Politik erlaubt. Eigentlich aber sagen beide Gastronomen: „Wenn wir wieder schließen müssen und dafür dieselben Hilfen bekommen wie letztes Jahr, haben wir mehr davon, als unter diesen Umständen weiterhin öffnen zu dürfen.“ Aktuell klagt die Gastronomie über 60 bis 70 Prozent Umsatzeinbußen, und das bereits im zweiten Winter in Folge. Michael Holz erinnert daran, dass der letzte Winter besonders lange gedauert hat: „Wir hatten einen Lockdown, der sieben Monate und zwei Wochen gedauert hat.“

Gut möglich, dass der Name „The Last Bash“ zum Programm wird. Es gibt unterschiedliche Übersetzungsmöglichkeiten: „Der letzte Schlag“, „Der letzte Versuch“ oder auch „Die letzte Party“.