Kirchheim
Vaude-Chefin: „Nachhaltigkeit ist für mich Lebensqualität“

Geistesblitze Beim Unternehmerforum der Kreissparkasse Esslingen-Nürtingen spricht eine prominente Runde mit Moderatorin Dunja Hayali über die gestiegene Bedeutung des Faktors Umwelt für die Wirtschaft. Von Thomas Zapp

Als Kai Scholze im Herbst 2019 die Besucher des 11. Unternehmerforums „bis zum nächsten Jahr“ verabschiedete, hatte er natürlich nicht daran gedacht, dass es bis zum Frühjahr 2022 dauern würde, bis die „Geistesblitze“, das Motto des Forums, wieder einschlagen würden. Die Vorlage des stellvertretenden Vorsitzenden der Kreissparkasse Esslingen-Nürtingen nahm TV-Moderatorin Dunja Hayali gerne auf. „Schlau, dass wir es jetzt und nicht im Herbst machen“, sagte sie unter dem Gelächter der 500 Gäste.  

Doch die aktuellen Krisen waren nicht das Thema des Abends für die Gäste Antje von Dewitz, CEO der Tettnanger Outdoor-Bekleidungsmarke Vaude, Walter Feeß vom gleichnamigen Kirchheimer Recycling-Unternehmen und Annette Wagner, Leiterin Nachhaltigkeit und Ideenschmiede beim Elektrokonzern Bosch. Bei diesen illustren Namen war klar: Der „Geistesblitz 2022“ drehte sich um Nachhaltigkeit. 

Thema war zu Beginn schwer zu vermitteln

Oft strapaziert und im politischen Betrieb geradezu abgenutzt, konnten die Gäste dem Nachhaltigkeitsbegriff eindrucksvoll Leben einhauchen. Wenn Antje von Dewitz von ihrer Motivation erzählt, seit ihrem Eintritt ins väterliche Unternehmen „möglichst wenig Schaden anzurichten“, kauft man es der umweltbegeisterten Unternehmerin ab. „Eigentlich wollte ich zu einer NGO“, betont sie. 

Als die heute 49-Jährige im Jahr 2009 die Geschäftsführung übernahm, stand sie vor dem Problem, dass auch das regionale Unternehmen 80 Prozent in Asien produzieren lässt. Das Thema Nachhaltigkeit war damals schwer zu vermitteln. „Die Hersteller wollten nicht umstellen, der Vertrieb sagte, dass keiner danach fragt.“ Es sei ein langer Kampf gewesen, der viel damit zu tun habe, zu erklären und auf Augenhöhe zu kommunizieren, sagt sie. Heute habe das Unternehmen sein eigenes „Greenshape-­Label“: „Das heißt, dass ein Produkt recycelte Anteile haben und reparabel sein muss. Nachhaltig ist es, wenn es lange hält“, sagt sie. Nachhaltigkeit werde auch am Unternehmenssitz gelebt: Es gibt eine fleischlose Kantine, überdachte Fahrradparkplätze und Kinderbetreuung. „Nachhaltigkeit ist für mich Lebensqualität.“ Sie hat bewiesen, dass man damit auch Erfolg haben kann: Der Umsatz ist seit 2009 von 50 Millionen auf 130 Millionen Euro gestiegen.

Einfach mal anfangen

Mit nachhaltigen Ideen müsse man einfach mal anfangen, das meint auch Walter Feeß. Der 67-jährige Unternehmer war vor 25 Jahren ein Pionier, als er begann, aus Bauschutt Wertstoffe zu recyceln und später sogenannten R-Beton. Der Einsatz dieser Mischung aus recycelten Gesteinen gilt im Hochbau als wichtiger Schritt auf dem Weg zu geschlossenen Materialkreisläufen. Dabei spare man vor allem durch kürzere Wege bei der Entsorgung allein in seinem Unternehmen durch wegfallende Lkw-Kilometer 300 000 Tonnen CO2. Dass es in seiner Branche noch nicht so viele gebe, die es ihm gleichtun, liegt vor allem an einem: „Es gibt zu viele Vorbehalte, speziell in den Verwaltungen“, sagt er. Die Architekten der Sparkassenzentrale, in der die Veranstaltung stattfand, konnte er aber überzeugen: Dort kam R-Beton zum Einsatz.

Neben den beiden Unternehmern brachte auch ­Annette Wagner beeindruckende Zahlen mit: Bosch wird bis 2030 eine Milliarde in Nachhaltigkeit investieren. „In alle Standards“, wie sie betont, von der eigenen Energieerzeugung bis zum Einsatz von Grünstrom. Aktuell müsse Bosch 28 Prozent seiner Emissionen kompensieren, bis 2030 sollen es nur noch 18 Prozent sein. Weniger ist rein technisch noch nicht möglich. „Einen Hochofen können sie noch nicht mit Wasserstoff betreiben.“

Am Ende macht die Kreissparkasse auch Werbung in eigener Sache: „Bis 2023 wollen wir klimaneutral sein“, sagt Kai Scholze. Die KSK feiert nächstes Jahr 175-jähriges Bestehen. Wer sich rechtzeitig damit auseinandersetzt ist gut beraten: EU-weit müssen ab 2023 alle Unternehmen ab 250 Mitarbeiter oder mit einer Bilanzsumme von mehr als 20 Millionen Euro eine Umwelt­bilanz ausweisen. „Beim Rating von Unternehmen spielt Nachhaltigkeit eine immer größere Rolle“, betont Kai Scholze. Dass Unternehmen davor keine Angst haben müssen und sogar davon profitieren können, dafür haben die Podiumsgäste den Beweis geliefert.